Mutter­bild: Welchen Einfluss hat die Gesell­schaft auf Mütter?

Plötzlich Mama! Eine neue, wunderschöne Rolle, in die Frauen erstmal hineinfinden müssen. Neben Hormonen und Emotionen mischen dabei auch gesellschaftliche Erwartungen mit. Wie Mütter lernen, auf ihre eigene innere Stimme zu hören.

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Plötzlich Mama! Eine neue, wunderschöne Rolle, in die Frauen erstmal hineinfinden müssen. Neben Hormonen und Emotionen mischen dabei auch gesellschaftliche Erwartungen mit. Wie Mütter lernen, auf ihre eigene innere Stimme zu hören.

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Mutterbild – alles perfekt, oder?

Egal wie kurz die Nacht oder wie energisch der Trotzanfall war – die „perfekte“ Mama bleibt geduldig. Liebevoll, aufmerksam und ausgeglichen regelt sie den Familienalltag. Erschöpfung, Überforderung, Traurigkeit? Kennt sie nicht! Sie ist immer bereit, sich und die eigenen Wünsche hinter die der Familie zurückzustellen. Gleichzeitig ist bei ihr alles in bester Ordnung: Die Wohnung gesaugt, das Essen frisch gekocht, das Nachmittagsprogramm pädagogisch besonders wertvoll. Nebenher treibt sie Sport, pflegt zuverlässig ihre sozialen Kontakte und ist natürlich eine aufmerksame und fürsorgliche Partnerin. Die perfekte Mutter sorgt sich nicht um ihre finanzielle Sicherheit oder berufliche Zukunft. Und wenn, dann sieht man ihr diese Sorgen nicht an. Denn meistens lächelt sie.

Für das, was sie Tag für Tag (und Nacht für Nacht) leistet, bekommt die perfekte Mutter weder Lohn noch Lob – egal wie sehr sie sich anstrengt. Schließlich ist Muttersein jetzt ihre Aufgabe. Sozusagen ihr Dienst an der Gesellschaft. Eine Aufgabe, die sie sich – in den meisten Fällen – ja sogar selbst ausgesucht hat.

Ganz schön übertrieben und echt von gestern, dieses Mutterbild, oder? Doch für Generationen von Frauen war das Ideal der perfekten Mutter der Maßstab, an dem sie gemessen wurden. Verschwunden ist es längst noch nicht aus allen Köpfen. Insbesondere nicht aus denen, die gerade erst ins Familienleben starten. Die nur ahnen können, wie ihr neues Leben aussehen wird, und die deshalb verunsichert sind. Die eigentlich Mitmenschen brauchen, die sagen: „Das fühlt sich alles neu und ungewohnt an. Aber du machst das wunderbar. Auf deine eigene Weise!“

Zwar haben sich unsere Gesellschaft und die Rollenverteilungen in Familien in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder verändert, aber die Erwartungen an Mütter bleiben hoch. Und neue Aufgaben und Herausforderungen kommen hinzu, z. B.:

  • Steigende Lebenshaltungskosten, die Frauen immer früher zurück in den Beruf drängen.
  • Kita-Plätze, die gerade in Großstädten nicht leicht zu finden sind und die teilweise auch nicht die Betreuungsschlüssel und -qualität bieten, die sich junge Eltern wünschen.
  • Neben der Erwerbsarbeit stoppt auch die Arbeit zu Hause nicht. Nur ist diese unbezahlt.
  • All die unsichtbare Gedankenarbeit, die vor allem Mütter leisten, damit Alltag und Haushalt reibungslos funktionieren – auch bekannt unter dem Begriff Mental Load.
  • Ein dauerhaft schlechtes Gewissen, das Gefühl, nichts und niemandem vollumfänglich gerecht zu werden. Am wenigsten sich selbst.
  • Der wachsende Druck, z. B. durch soziale Medien, die Eltern vorgaukeln, dass es in anderen Familien stets harmonisch zugeht und immer alles aufgeräumt ist.

Besonders schwer ist das Päckchen, das Alleinerziehende schultern. Auch das ist ein Fakt: Der Anteil an Müttern, die ihr Kind ohne Unterstützung eines weiteren Elternteils großziehen, ist in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegen. Laut Bundesfamilienministerium sind von den 1,7 Millionen Alleinerziehenden in Deutschland 1,4 Millionen weiblich. Und trotzdem hängt die Messlatte gefühlt doch irgendwie immer gleich hoch – egal welche Voraussetzungen jede und jeder hat.

Kinderfrage: Das geht euch gar nichts an!

Die gesellschaftliche Erwartungshaltung fängt schon früh an – nämlich mit der Frage, ob eine Frau überhaupt ein Kind möchte oder nicht. Viele Frauen im Alter um die 30 Jahre kennen die indiskrete Nachfrage: „Und, wann ist es bei euch so weit mit dem Kinderkriegen?“. Vergiss nicht: Das geht nur dich selbst und deine Partnerin bzw. deinen Partner etwas an. „Mein Uterus ist kein Small-Talk-Thema!“ – mit dieser Haltung kannst du nervige Nachfragen wie diese abwenden. Warum Frauen kein Kind haben bzw. nicht schwanger sind, kann verschiedene, sehr persönliche Gründe haben. Nachfragen wie die nach dem Stand der Familienplanung können Betroffene, z. B. bei unerfülltem Kinderwunsch oder erlebten Fehlgeburten, verletzen und Wunden aufreißen.

Kinderwunsch: Möchte ich Kinder?

Kinder zu haben, ist für Frauen eine gesellschaftliche Norm. Doch immerhin leben 22 % aller Frauen zwischen 30 und 50 Jahren in Deutschland ohne Kinder – so das Ergebnis einer Studie des Bundesfamilienministeriums über gewollte und ungewollte Kinderlosigkeit. Unter ihnen gibt es die, die z. B. durch eine Unfruchtbarkeit ungewollt kinderlos sind. Aber die Zahl der Frauen, die sich bewusst für ein Leben ohne Kinder entscheiden, wächst. Unzufrieden sind sie nicht: Die empirische Untersuchung „Gewollte Kinderlosigkeit – zur Entscheidung von Frauen für ein Leben ohne Kinder“ kam zu dem Ergebnis, dass 70 % von ihnen in einer festen Beziehung leben, in der sie sehr glücklich sind. Doch 68 % dieser kinderlosen Frauen spüren einen großen Druck gegenüber Außenstehenden. Sie müssen sich immer wieder dafür rechtfertigen, dass sie keine Kinder möchten.

Generell ist sozialer Druck nicht der beste Ratgeber für die Familienplanung. Stattdessen raten Fachleute dazu, lieber die eigenen Motive zu hinterfragen. Stellt euch z. B. diese Fragen:

  • Was erwarte ich vom Leben?
  • Wie habe ich bisher gelebt, und was gefällt mir daran?
  • Was sind meine Werte, Ziele und Bedürfnisse?
  • Kann ich diese auch mit einem Kind leben?
  • Welche Abstriche müsste ich machen?
  • Inwiefern würden Kinder mein Leben bereichern?

Mutterschaft: Wie wird die Frau zur Mutter?

Rein biologisch gesehen sollte das klar sein. Spannend ist das Mutterwerden aber auch aus psychologischer Sicht. Denn die Forschung zeigt: Viele Frauen durchleben tatsächlich eine Art Identitätskrise, sobald das Kind auf der Welt ist. Sie brauchen Zeit, in ihrer neuen Rolle anzukommen, vermissen ihr altes Leben und müssen sich selbst (wieder) finden. Im noch recht jungen Forschungsfeld „Muttertät“ wird untersucht, wie genau der Übergang von der Frau zur Mutter eigentlich abläuft. Nicht ohne Grund erinnert der Begriff an „Pubertät“: Frauen, die Mutter werden, befinden sich in einer ähnlichen Umbruchphase wie Kinder, die zu Erwachsenen werden. Die Veränderungen geschehen auch auf hormoneller Ebene und sind sogar in der Hirnstruktur erkennbar. Die Gehirne von Frauen verändern sich schon in der Schwangerschaft, und das kann man in Hirnscans erkennen – verrückt, oder?

Vaterrolle: Was wünschen sich Väter?

Wenn sich eine Mutter um ihr Baby kümmert, z. B. mit ihm auf den Spielplatz geht, dann bekommt sie dafür eher keine besondere Aufmerksamkeit, geschweige denn Anerkennung. Es ist ja ihr „Job“. Tut ein Mann dasselbe, hört er Kommentare wie: „Großartig, wie er sich kümmert!“ Als wäre der Vater kein Elternteil, sondern der Babysitter. Neben ihrer eigenen Berufstätigkeit, oft in Teilzeit, kümmern sich meist Frauen zusätzlich um den größten Teil der Haus- und Sorgearbeit – inklusive Kinderbetreuung und Altenpflege. Diesen Unterschied zwischen den Geschlechtern nennt man „Gender Care Gap“. Er verstärkt das traditionelle, verstaubte Rollenbild von Müttern.

Gleichzeitig wächst bei vielen Vätern selbst der Wunsch, sich von alten Rollenbildern zu befreien. Sie möchten sich stattdessen aktiv im Familienleben einbringen, einen Teil der Kinderbetreuung übernehmen und eine gleichberechtigte Partnerschaft führen. Und auch die Gesellschaft erwartet dies von heutigen Vätern, wie die Ergebnisse des Väterreports 2023 zeigen: 84 % der Bevölkerung sind der Meinung, dass Väter heute so viel Zeit wie möglich mit ihren Kindern verbringen sollten. Von der vorherigen Elterngeneration erwarteten dies nur 30 %. Das zeigt: Auch Väter befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen traditionellen Erwartungen und modernen Ansprüchen. Das kann verunsichern und belasten.

Familienleben: Was brauchen Eltern?

Eltern fehlt es oft an Anerkennung und Wertschätzung. Dabei braucht es nicht einmal den großen politischen oder gesellschaftlichen Rundumschlag. Jede und jeder Einzelne von uns kann schon mit kleinen Gesten viel tun, um frischgebackene Eltern zu unterstützen und ihnen mehr Anerkennung zu zeigen. Und das ist ganz einfach!

  • Zeig echtes Interesse für die Bedürfnisse, Ängste und Sorgen von (jungen) Familien.
  • Hör zu, was (werdende) Eltern zu sagen haben, nimm sie ernst und akzeptier es, wenn sie etwas anders machen möchten.
  • Nimm Anteil an den positiven Momenten und Berichten aus dem Familienalltag und erinnere sie daran, wenn es mal nicht so gut läuft.
  • Biete immer wieder deine Hilfe und Unterstützung an – vom Essenkochen bis zum Babysitten.
  • Nimm (jungen) Eltern den Druck von den Schultern und signalisiere ihnen: Ihr müsst nicht perfekt sein.
  • Bestärke sie darin, ihren eigenen Weg zu gehen, und zeig ihnen verschiedene Möglichkeiten auf.
  • Vermeide verurteilende Kommentare und abschätzige Blicke – auch bekannt als Mom-Shaming – über Dauer-Streitthemen wie Stillen, Kita und Co.

Glücklichsein: Wie Mütter in ihrer Rolle ankommen

Das Ankommen in der wunderschönen, aber eben auch anspruchsvollen neuen Aufgabe ist kein Selbstläufer. Nimm dir dafür die Zeit, die du brauchst. Vergiss nicht: Deinem Kind kann es nur gut gehen, wenn es dir selbst gut geht. Achte auf dich, deine Bedürfnisse und Kapazitäten und versuch mal das:

Kannst du bitte noch einen Kuchen für die Kita backen? Ein Geschenk für den Kindergeburtstag besorgen? Das nächste Playdate verabreden? Deine Antwort lautet: Nein! Ein kleines Wort, das gar nicht mal so leicht über die Lippen kommt. Aber: Je häufiger du es sagst, desto schneller lässt das schlechte Gewissen nach.

Egal ob Partner*in, Freund*in, Eltern oder Therapeut*in: Reden hilft. Teil deine Ängste und Sorgen – und red dir einfach mal alles von der Seele. Dein Gegenüber muss keinen Lösungsvorschlag haben oder dir neue Perspektiven vorschlagen. Wenn du mal alles losgeworden bist, wirst du dich vielleicht schon ein gutes Stück leichter fühlen. Tausch dich mit anderen, echten Müttern aus, z. B. über die bke-Elternberatung.

Und damit meinen wir wirklich: Fest einplanen. Als Termin. Im Kalender. Von dir und deiner Partnerin oder deinem Partner. Dieser Termin ist genauso wichtig wie ein Job, ein Arztbesuch oder andere Verpflichtungen. Schließlich geht es um deine Gesundheit. In deiner Me-Time kannst du tun und lassen, worauf du gerade Lust hast. Allein ein Buch lesen, dich mit Freund*innen treffen, Sport machen, spazieren gehen, eine Ausstellung besuchen oder einfach mal: Nichtstun. Me-Time heißt: kinderfreie Zone!

Mit der Geburt deines Kindes hat ein großes Abenteuer begonnen, vielleicht sogar das größte deines Lebens. Versuch, dich auf deinem Weg von dem unerreichbaren Perfektionsanspruch zu befreien. Denn: Allen recht machen kannst du es nicht – musst du aber auch nicht ! Was das bedeutet, zeigen wir dir hier noch mal auf einen Blick:

  • Befrei dich von den hohen Erwartungen an deine neue Aufgabe – den fremden, aber auch den eigenen.
  • Gesteh dir alle Gefühle rund ums Elternsein zu – auch die unerwünschten.
  • Erkenne andere Lebensentwürfe und Entscheidungen an und akzeptiere sie.
  • Führ dir vor Augen, dass niemand deine Situation und deine Rahmenbedingungen besser beurteilen kann als du selbst.
  • Vergiss nicht: Du hast für jede Entscheidung deine Gründe – und die gehen nur dich etwas an!

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