Mutterbild – alles perfekt, oder?
Egal wie kurz die Nacht oder wie energisch der Trotzanfall war – die „perfekte“ Mama bleibt geduldig. Liebevoll, aufmerksam und ausgeglichen regelt sie den Familienalltag. Erschöpfung, Überforderung, Traurigkeit? Kennt sie nicht! Sie ist immer bereit, sich und die eigenen Wünsche hinter die der Familie zurückzustellen. Gleichzeitig ist bei ihr alles in bester Ordnung: Die Wohnung gesaugt, das Essen frisch gekocht, das Nachmittagsprogramm pädagogisch besonders wertvoll. Nebenher treibt sie Sport, pflegt zuverlässig ihre sozialen Kontakte und ist natürlich eine aufmerksame und fürsorgliche Partnerin. Die perfekte Mutter sorgt sich nicht um ihre finanzielle Sicherheit oder berufliche Zukunft. Und wenn, dann sieht man ihr diese Sorgen nicht an. Denn meistens lächelt sie.
Für das, was sie Tag für Tag (und Nacht für Nacht) leistet, bekommt die perfekte Mutter weder Lohn noch Lob – egal wie sehr sie sich anstrengt. Schließlich ist Muttersein jetzt ihre Aufgabe. Sozusagen ihr Dienst an der Gesellschaft. Eine Aufgabe, die sie sich – in den meisten Fällen – ja sogar selbst ausgesucht hat.
Ganz schön übertrieben und echt von gestern, dieses Mutterbild, oder? Doch für Generationen von Frauen war das Ideal der perfekten Mutter der Maßstab, an dem sie gemessen wurden. Verschwunden ist es längst noch nicht aus allen Köpfen. Insbesondere nicht aus denen, die gerade erst ins Familienleben starten. Die nur ahnen können, wie ihr neues Leben aussehen wird, und die deshalb verunsichert sind. Die eigentlich Mitmenschen brauchen, die sagen: „Das fühlt sich alles neu und ungewohnt an. Aber du machst das wunderbar. Auf deine eigene Weise!“
Zwar haben sich unsere Gesellschaft und die Rollenverteilungen in Familien in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder verändert, aber die Erwartungen an Mütter bleiben hoch. Und neue Aufgaben und Herausforderungen kommen hinzu, z. B.:
- Steigende Lebenshaltungskosten, die Frauen immer früher zurück in den Beruf drängen.
- Kita-Plätze, die gerade in Großstädten nicht leicht zu finden sind und die teilweise auch nicht die Betreuungsschlüssel und -qualität bieten, die sich junge Eltern wünschen.
- Neben der Erwerbsarbeit stoppt auch die Arbeit zu Hause nicht. Nur ist diese unbezahlt.
- All die unsichtbare Gedankenarbeit, die vor allem Mütter leisten, damit Alltag und Haushalt reibungslos funktionieren – auch bekannt unter dem Begriff Mental Load.
- Ein dauerhaft schlechtes Gewissen, das Gefühl, nichts und niemandem vollumfänglich gerecht zu werden. Am wenigsten sich selbst.
- Der wachsende Druck, z. B. durch soziale Medien, die Eltern vorgaukeln, dass es in anderen Familien stets harmonisch zugeht und immer alles aufgeräumt ist.
Besonders schwer ist das Päckchen, das Alleinerziehende schultern. Auch das ist ein Fakt: Der Anteil an Müttern, die ihr Kind ohne Unterstützung eines weiteren Elternteils großziehen, ist in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegen. Laut Bundesfamilienministerium sind von den 1,7 Millionen Alleinerziehenden in Deutschland 1,4 Millionen weiblich. Und trotzdem hängt die Messlatte gefühlt doch irgendwie immer gleich hoch – egal welche Voraussetzungen jede und jeder hat.