Mit dem Kinderwunsch abschließen

Mit dem Kinderwunsch endgültig abzuschließen, ist nicht einfach, kann aber eine riesengroße Erleichterung sein. Warum es wichtig ist, sich Zeit zum Trauern zu nehmen – und dann nach vorn zu schauen.

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Mit dem Kinderwunsch endgültig abzuschließen, ist nicht einfach, kann aber eine riesengroße Erleichterung sein. Warum es wichtig ist, sich Zeit zum Trauern zu nehmen – und dann nach vorn zu schauen.

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Wir bleiben kinderlos

Ein unerfüllter Kinderwunsch ist eine schmerzhafte Erfahrung. Viele Paare befinden sich über Jahre auf einer Gefühlsachterbahn zwischen Hoffnung und Angst, Enttäuschung und Trauer. Nicht selten wirkt sich der emotionale Stress negativ auf die Psyche und Partnerschaft aus. Die Erkenntnis, dass der Kinderwunsch sich nie erfüllen wird, ist ein tiefgreifender Einschnitt. Sie bedeutet den Abschied von Zukunftsplänen, aber auch die Chance, abzuschließen und nach vorn zu schauen.

Zahlen und Fakten

Eine Studie des Bundesfamilienministeriums aus dem Jahr 2014 ergab, dass in der Altersgruppe der 30- bis 50-Jährigen etwa 29 % der Frauen und Männer kinderlos sind. Dabei gaben 22 % der Frauen und 36 % der Männer an, keine Kinder zu haben. Diese Zahlen beinhalten sowohl gewollte als auch ungewollte Kinderlosigkeit.​

Laut dem Statistischen Bundesamt waren im Jahr 2022 von den 29,7 Millionen Frauen zwischen 20 und 75 Jahren in Deutschland etwa 9,5 Millionen kinderlos, was einem Anteil von rund 32 % entspricht.

Fast jedes 10. Paar zwischen 25 und 59 Jahren in Deutschland ist laut Bundesfamilienministerium ungewollt kinderlos.

Wann die Zeit gekommen ist abzuschließen

Der Punkt, an dem ein Paar endgültig mit dem Kinderwunsch abschließt, ist individuell. Er kommt meist dann, wenn der seelische, körperliche oder zeitliche Preis höher ist als das, was sich vom Elternsein erhofft wird. Wann es Zeit wird loszulassen:

  • Deine Ärztin oder dein Arzt hat mehrmals klar gesagt, dass die Chancen, schwanger zu werden, extrem gering bis ausgeschlossen sind.
  • Du merkst, dass dich jeder neue Versuch, jeder Schwangerschaftstest, jede Fehlgeburt oder jede Schwangerschaftsverkündung deiner Freundinnen innerlich zerreißt und psychisch stark belastet.
  • Der Kinderwunsch wird zur Dauerbelastung für die Partnerschaft. Sex ist nur noch Mittel zur Fortpflanzung.
  • Kinderwunschbehandlungen sind teuer und zeitintensiv. Deine Freizeit und dein Erspartes investierst du fast ausschließlich in deinen Kinderwunsch.

Vielen hilft es, ganz bewusst einen Schlussstrich zu ziehen und einen Zeitpunkt festzulegen, an dem sie endgültig mit dem Kinderwunsch abschließen: „Diesen Zyklus probieren wir es noch ein letztes Mal, und danach ist Schluss.“ Danach heißt es: Trauer zulassen und, so schwer wie es auch scheinen mag, nach vorn schauen.

Ungewollt kinderlos: Jede*r trauert anders

Der endgültige Abschied von der Idee, Eltern zu werden, der Entschluss, es nicht mehr zu probieren, ist mit einem Trauererlebnis vergleichbar. Der Trauerprozess kann Monate oder Jahre dauern, Rückfälle sind normal. Wichtig ist, sich selbst Zeit zu geben und die eigenen Gefühle anzunehmen.

Zu Beginn steht oft die Weigerung, die Realität zu akzeptieren. Viele Paare klammern sich an die Hoffnung, dass es vielleicht doch noch klappt – mit einer neuen Behandlung, einer anderen Methode oder einfach mit mehr Geduld. Die Vorstellung, niemals Eltern zu werden, fühlt sich unwirklich und kaum greifbar an.

Wenn die Hoffnung nachlässt, kommt die Wut – auf sich selbst, den eigenen Körper, die Medizin oder die Ungerechtigkeit des Lebens an sich. Manche empfinden Neid auf andere Eltern, während sie selbst kämpfen müssen. Diese Gefühle sind normal, aber oft schwer auszuhalten.

In dieser Phase suchen viele nach alternativen Wegen, um doch noch Eltern zu werden. Sei es durch eine neue Therapie, Adoption oder Pflegekinder. Manche versuchen, sich mit spirituellen oder alternativen Ansätzen Trost zu spenden.

Die endgültige Erkenntnis, dass sich der Wunsch nach einem eigenen Kind nicht erfüllt, ist hart und kann tiefe Traurigkeit auslösen. Sie ist aber auch ein wichtiger Schritt, um abschließen zu können. Wenn dieser Punkt nicht erreicht ist, geht der Teufelskreis aus Hoffnung und Enttäuschung immer weiter. Viele erleben Gefühle von Leere, Verlust oder Identitätskrisen. Manche ziehen sich zurück, um allein mit dem Schmerz fertig zu werden.

Irgendwann entwickelt sich – langsam und individuell – eine neue Perspektive. Der Schmerz bleibt, wird aber erträglicher. Paare entdecken neue Lebenswege, bauen sich eine Zukunft auf, die nicht um das Elternsein kreist, und finden neue Sinnquellen im Leben.

Abschließen und nach vorn blicken

Es ist völlig normal, Trauer, Wut, Enttäuschung – einen Strudel an Gefühlen – zu empfinden. Trauer ist kein geradliniger Prozess. Sie kommt in Wellen, mal leise, mal überwältigend. Doch sie verdient Raum. Wer sich erlaubt zu fühlen, macht den 1. Schritt zur Heilung.

Offene Gespräche können helfen, den Schmerz zu teilen. Ob mit der Partnerin oder dem Partner, engen Freund*innen oder in einer Selbsthilfegruppe, z. B. über NAKOS – Worte geben den Gefühlen Platz und lassen erkennen: Wir sind nicht allein. Auch die Partnerschaft kann in dieser Zeit wachsen. Es hilft, bewusst gemeinsame Momente zu schaffen, in denen es nicht nur um den Kinderwunsch geht. Liebe, Nähe und Verständnis sind das, was wirklich zählt.

Manchmal braucht es Unterstützung von außen. Therapeut*innen oder psychosoziale Beratungsstellen, z. B. über die Deutsche Gesellschaft für Kinderwunschberatung – Beratungsnetzwerk für Kinderwunsch Deutschland e. V. (BKiD), können helfen, mit der Situation umzugehen und neue Wege zu finden. Denn auch wenn der Wunsch nach einem eigenen Kind nicht in Erfüllung geht, bedeutet das nicht, dass das Leben weniger wertvoll ist.

Mach dir eines immer wieder bewusst: Ein Leben ohne eigene Kinder ist nicht weniger wertvoll – es ist einfach anders. Und es kann auf ganz eigene Weise erfüllt und glücklich sein.

„Na, wann ist es denn bei euch so weit?“

Übrigens: Fragen wie „Na, wann ist es denn bei euch so weit?“ oder „Wollt ihr keine Kinder?“ sind kein Smalltalk-Thema, sondern übergriffig. Und das kannst du genauso kommunizieren: „Das ist ein sehr persönliches Thema. Ich rede nur mit Menschen darüber, die mir wirklich nahestehen.“ Oder: „Ich spreche nicht über meine Familienplanung. Das ist nicht deine Baustelle.“ Wenn du dich verletzt fühlst, kannst du das ebenso sagen: „Ehrlich gesagt, ist das eine Frage, die wehtut. Bitte frag mich oder andere sowas nicht noch mal.“ Oder: „Wir gehen gerade einen schwierigen Weg. Ich wünsche mir, dass du das respektierst.“

Glücklich kinderfrei

Ja, auch sie gibt es: Menschen und Paare, die sich ganz bewusst für ein kinderfreies Leben entschieden haben. Die Gründe dafür sind vielfältig, und auch wenn die Ausgangslage nicht unterschiedlicher sein könnte, lohnt sich ein Blick auf die Hintergründe. Vielleicht lässt sich ja etwas lernen?

Frauen entscheiden sich z. B. für ein Leben ohne Kinder, um mehr Freizeit zu haben und sich selbst verwirklichen zu können. Aber auch aus finanziellen Gründen, oder weil sie mit ihrer Partnerschaft genau so, wie sie gerade ist, zufrieden sind. Für sie steht ihr soziales Umfeld, also ihre Familie und Freund*innen, an 1. Stelle. Laut der Studie „Gewollte Kinderlosigkeit“ legen kinderlose Frauen eine starke „soziale Mütterlichkeit“ an den Tag. Sie kümmern sich um Kinder, die bereits auf der Welt sind und jemanden brauchen, oder um Personen aus ihrem Umfeld.

Nimm dir also Zeit, allein und auch gemeinsam mit deiner Partnerin bzw. deinem Partner nach neuen Perspektiven zu suchen. Manche Paare finden Erfüllung in anderen Lebensbereichen, entscheiden sich für eine Adoption oder werden Pflegeltern. Andere entdecken, dass auch ein Leben ganz ohne Kinder lebenswert und erfüllt sein kann.

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