Zwangsstörungen

Wenn Zwangsgedanken und Zwangshandlungen immer mehr den Alltag bestimmen, ist es an der Zeit, aktiv zu werden. Mit einer Verhaltenstherapie lassen sich Ängste mildern und Zwänge in den Griff bekommen.

Zum Inhalt springen

Wenn Zwangsgedanken und Zwangshandlungen immer mehr den Alltag bestimmen, ist es an der Zeit, aktiv zu werden. Mit einer Verhaltenstherapie lassen sich Ängste mildern und Zwänge in den Griff bekommen.

Zum Inhalt springen

Zwangsstörungen erkennen: Ist das normal oder schon Zwang?

„Habe ich die Tür abgeschlossen?“ „Ist der Herd auch wirklich aus?“ Eine Zwangsstörung beginnt mit Zwangsgedanken, die sich ständig ungewollt wiederholen. Dazu gehört z. B. die Sorge, etwas vergessen zu haben, oder die Angst, sich mit Krankheitserregern zu infizieren. Zur Beruhigung und um diese Gedanken wieder loszuwerden, werden Rituale entwickelt, z. B. das wiederholte Checken, ob die Tür abgeschlossen ist, oder das ständige Waschen der Hände. Diese sich häufig wiederholenden Zwangshandlungen sind für Betroffene sehr belastend, da sie schnell mehr und mehr Zeit und Energie beanspruchen. Das sind die häufigsten Zwänge:

  • Kontrollzwang: Die Angst, durch einen Fehler eine Katastrophe herbeizuführen, verleitet Betroffene dazu, Gegenstände oder Abläufe wiederholt zu kontrollieren. Sie verbringen so viel Zeit damit, zu überprüfen, ob z. B. der Herd ausgeschaltet oder die Tür abgeschlossen ist, dass sie es kaum schaffen, das Haus zu verlassen.
  • Sammelzwang: Betroffene haben Angst, Dinge wegzuwerfen – und beginnen, verschiedenste Dinge zu sammeln.
  • Waschzwang und Putzzwang: Aus Angst vor Schmutz oder der Übertragung von Krankheiten verspüren Betroffene den ständigen Drang, ihre Haut oder ihre Umgebung zu reinigen. Sie waschen sich z. B. übermäßig häufig die Hände oder putzen exzessiv ihr Zuhause.
  • Wiederholungszwang: Bestimmte Handlungen müssen mehrmals hintereinander wiederholt werden, z. B. Zähne putzen, 3x zur Kontrolle um das Auto gehen etc.
  • Zwanghaftes Beißen und Essen der Haut: Betroffene verspüren den Zwang, sich in die Haut zu beißen und z. B. ständig an den Fingern zu knabbern.

Eine Zwangsstörung entsteht nicht über Nacht, sondern entwickelt sich mit der Zeit. Die Übergänge sind fließend. Folgende Symptome deuten u. a. auf eine Erkrankung hin:

  • Dein Leben ist geprägt von Zwangsgedanken und Zwangshandlungen. Das belastet dich sehr und macht einen „normalen“ Alltag fast unmöglich.
  • Du kannst die Zwangsgedanken und -handlungen kaum unterdrücken. Auch wenn du weißt, dass sie übertrieben und unbegründet sind. Wenn du es versuchst, löst das oft Ängste aus.

Hinweis: Eine Zwangsstörung diagnostizieren kann nur eine Ärztin bzw. ein Arzt. Die Informationen dieses Artikels ersetzen nicht einen ärztlichen Befund und eine ärztliche Behandlung.

Weitere Störungen des Zwangs­spektrums

Zwangserkrankungen treten häufig in Verbindung mit anderen psychischen Krankheiten wie Depressionen auf. Außerdem besteht eine große Nähe zu anderen Störungen des Zwangsspektrums, z. B:

Beim Skin Picking, so wird das zwanghafte Verhalten auch genannt, werden immer wieder Hautunreinheiten aufgekratzt. Die Folge: Entzündungen der Haut und Narbenbildung.

Betroffene befürchten, stark entstellt oder nicht schön genug zu sein. Sie versuchen, den vermeintlichen Makel zu kaschieren, oder überprüfen ihn häufig.

Die Impulskontrollstörung führt dazu, dass Betroffene den Drang verspüren, sich die eigenen Haare auszureißen. Dabei empfinden sie keinen Schmerz.

Ursachen

Eine Zwangsstörung kann verschiedene biologische sowie psychische Ursachen haben:

  • Familiäre Veranlagung: Bei einem Teil der Betroffenen spielt die Genetik eine Rolle. 3-12 % ihrer Verwandten 1. Grades, also Geschwister, Eltern oder Kinder, sind ebenfalls von einer Zwangserkrankung betroffen, 8-30 % der Verwandten zeigen zumindest gewisse Zwangssymptome oder zwanghafte Verhaltensweisen.
  • Psychische Faktoren und äußere Umstände: Die Erziehung, Schicksalsschläge, Lebenskrisen oder traumatische Erfahrungen aus der Kindheit, wie Misshandlungen oder der Tod eines Elternteils, können zu späteren Zwängen beitragen.
  • Persönlichkeitsmerkmale: Ein starkes Verantwortungsbewusstsein oder eine ausgeprägte Gewissenhaftigkeit können Ängste vor Fehlern begünstigen. Die Betroffenen zweifeln schnell, ob sie ihrer eigenen Wahrnehmung trauen können, oder schätzen Risiken als besonders hoch ein.

Tipps für Eltern

Beobachtest du bei deinem Kind erste Anzeichen für eine Zwangshandlung, solltest du das nicht ignorieren. Sprich dein Kind auf sein Verhalten an und suche mit ihm nach einer Alternative. So kann es lernen, dass nichts Schlimmes passiert, wenn es die Zwangshandlungen nicht ausführt. Es wird merken, dass es nicht direkt krank wird, wenn es sich seltener die Hände wäscht. Oder den Großeltern kein Unglück passiert, wenn es nicht bis 50 zählt. Viele Kinder schämen sich für ihr Verhalten und versuchen es daher zu verheimlichen. Die meisten wissen, dass ihre Ängste irrational sind, können diese aber trotzdem nicht abstellen.

Leben mit einer Zwangs­störung

Die meisten Betroffenen bemerken in der Regel nicht direkt, wie ihre Rituale langsam zum Zwang werden. Erst wenn die Zwangshandlungen immer mehr Zeit und Energie kosten und sich auf den Alltag auswirken, steigt der Leidensdruck. Denn eine fortgeschrittene Zwangsstörung kann Auswirkungen auf den Beruf, das private Umfeld und die Partnerschaft haben.

Hinzu kommt, dass Zwangsstörungen sich manchmal nicht so einfach von anderen Störungen mit ähnlichen Symptomen unterscheiden lassen. Du machst dir oft Sorgen um die Zukunft? Das kann auf eine generalisierte Angststörung hindeuten. Häufig treten Zwangsstörungen außerdem zusammen mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen auf. Die Erkrankungen können sich gegenseitig verstärken.

Es ist ganz normal, dass die Beschwerden mal stärker und mal schwächer sind, zeitweise ganz verschwinden oder Zwänge sich mit der Zeit verändern. Fakt ist aber: Unbehandelt wird eine Zwangsstörung schnell chronisch.

3 von 100 Menschen …

… in Deutschland entwickeln im Laufe ihres Lebens schätzungsweise eine Zwangsstörung. Erste Symptome treten häufig schon in der Kindheit auf. Bei 85 % der Betroffenen bricht die Erkrankung vor dem 30. Lebensjahr aus. Bei Männern im Schnitt 5 Jahre früher als bei Frauen.

Diagnose

Viele Betroffene benötigen professionelle Hilfe, um mit ihrer Zwangsstörung den Alltag meistern zu können. Dafür muss sich niemand schämen. Zwangsgedanken und -handlungen sind keineswegs Anzeichen dafür, dass du „verrückt“ wirst. Eine Zwangsstörung ist ebenso eine Krankheit, die behandelt werden muss wie eine Grippe oder ein gebrochenes Bein. Wenn du dir unsicher bist und nicht direkt einen Termin in einer psychotherapeutischen Praxis ausmachen möchtest, ist deine 1. Anlaufstelle deine Hausärztin oder dein Hausarzt.

In einem ersten Gespräch können folgende Fragen gestellt werden:

  • Kommen dir regelmäßig bestimmte Gedanken oder Bilder in den Sinn, die du nicht wieder loswirst?
  • Was hast du schon versucht, damit diese Gedanken und Bilder wieder verschwinden?
  • Hast du das Gefühl, dass diese Gedanken und Handlungen unsinnig oder übertrieben sind?
  • Hast du den Eindruck, bestimmte Handlungen immer wieder gegen deinen Willen tun zu müssen?

Entscheidend für eine Diagnose ist, dass die Zwangsgedanken oder -handlungen deutlich dein Leben beeinträchtigen. Das ist der Fall, wenn sie z. B. mehr als eine Stunde deines Tages einnehmen und du darunter leidest.

Um eine Diagnose zu stellen, muss zudem abgeklärt werden, ob die Zwänge Begleiterscheinung einer anderen psychischen Erkrankung sind, etwa einer Psychose oder schweren Depression. Im Rahmen einer gründlichen neurologischen und internistischen Untersuchung werden auch andere Erkrankungen abgeklärt, wie z. B. Tic-Störungen.

Mit einer Verhaltens­therapie den Ängsten begegnen

Wenn du eine Psychotherapie bzw. eine kognitive Verhaltenstherapie beginnst, wird dir dabei geholfen, deine Zwangsgedanken und Zwangshandlungen abzuschwächen. Das Ziel: Du kannst deinen Alltag wieder ohne größere Einschränkungen fortsetzen. In manchen Fällen werden auch Medikamente eingesetzt, z. B. Antidepressiva.

Teil einer kognitiven Verhaltenstherapie ist häufig das sogenannte Expositions-Reaktionsmanagement. Dabei setzt du dich unter Begleitung deiner Therapeutin bzw. deines Therapeuten schrittweise den Reizen aus, die Ängste oder Unwohlsein bei dir hervorrufen. Das passiert am besten direkt bei dir zu Hause. Dabei lernst du, mit den unangenehmen Gefühlen umzugehen, ohne Zwangshandlungen auszuführen. Zusätzlich lernst du verschiedene Entspannungstechniken kennen, wie Autogenes Training oder Atemübungen.

Je eher du eine Therapie beginnst, desto stärker wird sich deine Lebensqualität wieder erhöhen. Eine Zwangsstörung lässt sich nicht heilen – aber mit professioneller Hilfe gut in den Griff bekommen.

Selbsthilfe­angebote

In Selbsthilfegruppen können Betroffene und Angehörige sich informieren, austauschen und beraten lassen. Über die Datenbank Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS) kannst du geeignete Hilfsangebote finden.

Mentale Gesundheit

Kompass: Ambulante Hilfe bei psychischen Erkrankungen

Das Therapie- und Beratungsangebot Kompass bietet dir individuelle Hilfe bei psychischen Erkrankungen. Auch eine telefonische Beratung ist möglich, sogar in mehreren Sprachen.