Angst­störungen erkennen und bewältigen

Angststörungen sind weitverbreitet. Unbehandelt können sie zu Depressionen und Sucht führen. Es ist wichtig, frühzeitig professionelle Hilfe zu suchen und mit Familie und Freund*innen zu sprechen.

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Angststörungen sind weitverbreitet. Unbehandelt können sie zu Depressionen und Sucht führen. Es ist wichtig, frühzeitig professionelle Hilfe zu suchen und mit Familie und Freund*innen zu sprechen.

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Was ist Angst?

Angst ist ein ganz normales Gefühl. In manchen Lebenslagen ist sie sogar richtig wichtig. Angst signalisiert unserem Körper: „Achtung, Gefahr! Wir brauchen Energie, um uns schnell in Sicherheit zu bringen.“ War es einst der Säbelzahntiger, der uns Menschen bedroht hat, sind es heute die Abschlussprüfung oder das Job-Interview, vor denen wir nervös und aufgeregt sind.

Eine gesunde Angst hilft uns also, bedrohliche Situationen richtig einzuschätzen und mögliche Schwierigkeiten frühzeitig zu erkennen. So können wir uns besser vorbereiten oder für Unterstützung sorgen. Ist die Herausforderung bewältigt, verschwindet auch die Angst wieder.

Doch das ist nicht immer so. Manchmal werden auch harmlose Situationen als sehr bedrohlich wahrgenommen. Wenn Ängste sich ins Übermaß steigern und den Alltag über längere Zeit bestimmen, liegt möglicherweise eine Angststörung vor. In Deutschland sind etwa 9 von 100 Männern und 21 von 100 Frauen im Alter von 18-79 Jahren von einer Angststörung betroffen.

Dabei kannst du in einen regelrechten Teufelskreis geraten: Eine bestimmte Situation wird als gefährlich eingestuft und löst Angstgefühle und körperliche Symptome aus. Wenn die Angst immer stärker und stärker wird und du das Gefühl hast, die Kontrolle zu verlieren, kann sich die Angst zu einer Panikattacke hochschaukeln. Krankhafte Angst wird dann schnell zur dauerhaften Belastung für dich. Prof Dr. Marc Ziegenbein, Ärztlicher Direktor und Chefarzt am Klinikum Wahrendorff, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, erklärt im Podcast: „Eine Angststörung wird zum Problem, wenn es mich in meinem Alltag einschränkt. Die Erkrankung kontrolliert mich und meine Gefühle.“

Doch Ängste müssen nicht dein Leben und deine Gesundheit bestimmen. Wichtig ist es, das Thema Angst aus der Tabu-Ecke zu holen. Sprich also offen mit Familie und Freund*innen. Und hol dir professionelle Hilfe. Mit einer passenden Therapie kannst du Angstsymptome und Vermeidungsverhalten reduzieren. Dein Alltag wird wieder leichter.

Symptome einer Angst­störung

Angststörungen können vielfältige Symptome haben. Im Vordergrund stehen meistens die körperlichen Beschwerden:

  • Herzrasen, Herzstolpern
  • Atemprobleme mit Erstickungsgefühlen, Atemnot
  • Schwindel, Zittern
  • Muskelverspannungen, Schlafstörungen
  • Schwitzen oder Kälteschauer
  • Übelkeit, Bauchschmerzen, Verdauungsprobleme
  • Benommenheit, Gefühl des absoluten Kontrollverlusts

Aber auch auf psychischer und Verhaltensebene machen sich Angststörungen bemerkbar:

  • Gedanken, die ständig um die angstbesetzten Auslöser kreisen
  • Angst vor der Angst
  • Vermeidende Verhaltensweisen
  • Niedergeschlagenheit bis hin zu Selbstmordgedanken

Treten mehrere dieser Symptome über einen längeren Zeitraum wiederholt auf, sprich das Thema beim nächsten Besuch in deiner hausärztlichen Praxis an.

Formen der Angst­störung

Angststörungen sind ein vielschichtiges Phänomen. Man unterscheidet Phobien (Angststörungen mit realen Auslösern), generalisierte Angststörungen (anhaltende, alle Lebensbereiche umfassende Ängste) und Panikstörungen (anfallsartige Angstattacken).

Phobien

Spezifische Phobien werden von ganz konkreten Objekten (Spinnen, Wespen, große Höhe, Enge, öffentliche Plätze) oder Situationen (Flugreisen, Menschenansammlungen) ausgelöst. Frauen sind hier wesentlich öfter betroffen als Männer.

Von einer sozialen Phobie oder sozialen Angststörung spricht man, wenn soziale Kontakte bzw. die Interaktionen mit anderen Menschen starke Ängste auslösen. Betroffene mögen es z. B. nicht, eine Rede zu halten, in ein Streitgespräch zu gehen oder überhaupt im Mittelpunkt zu stehen. Soziale Angst hat nichts mit Schüchternheit oder Unsicherheit gegenüber fremden Personen zu tun. Die Betroffenen fürchten sich vor der kritischen Beobachtung und Bewertung anderer. Treten dann Angstsymptome wie Schwitzen, Erröten oder Zittern auf, verstärkt das die soziale Angst – und die Tendenz, ähnliche Situationen zu vermeiden und sich von anderen Menschen zurückzuziehen. Etwa 7 % der Bevölkerung leiden an einer Form der sozialen Phobie.

Meist entwickeln sich die phobischen Ängste schon in der Kindheit. Nach dem 35. Lebensjahr bessern sich die Probleme oft von allein.

Generalisierte Angststörung

Bei Betroffenen werden Sorgen und Ängste auch ohne konkreten Anlass in nahezu allen Lebenssituationen übermächtig. Beispielsweise haben sie ständig Angst, dass Angehörigen ein Unglück passiert oder sie selbst oder ihnen Nahestehende schwer erkranken. Die immer stärker werdenden Ängste schränken den Alltag extrem ein, mit Depressionen als möglicher Folge. Etwa 4-6 % der Bevölkerung sind betroffen.

Panikstörungen

Panikattacken können mit oder ohne erkennbare Auslöser auftreten. Sie können nur wenige Minuten, aber auch eine halbe Stunde oder länger anhalten. Zu den heftigen körperlichen und psychischen Symptomen zählen Herzrasen, Schwindel, Atemnot, Ohrenrauschen, Erstickungsgefühle, Engegefühl in der Brust, Hitzewallungen oder Kälteschauer sowie Angst vor einem kompletten Kontrollverlust. 2-3 % der Bevölkerung leidet an Panikstörungen, junge Erwachsene sind häufiger betroffen, Frauen etwa doppelt so häufig wie Männer.

Information

Schon gewusst?

Zu Panikattacken kann es auch im Zusammenhang mit körperlichen Erkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom kommen. Die auslösende Bedrohung kann dann z. B. die Frage sein, ob man es noch rechtzeitig bis zur nächsten Toilette schafft.

Ursachen von Angst­störungen

Wahrscheinlich beruhen Angststörungen auf einem Zusammenwirken verschiedener Faktoren. Bestimmte Urängste, etwa vor gefährlichen Tieren, sind tief in uns verwurzelt. Sie sicherten unseren frühen Vorfahren das Überleben. Eine genetische Veranlagung ist sehr wahrscheinlich mitentscheidend für die Entwicklung einer Angststörung. Lebenskrisen, Stress und außergewöhnliche Belastungen – das können in der Kindheit erfahrene traumatische Ereignisse sein – sind genauso wie falsch erlernte Verhaltensmuster weitere Entstehungsfaktoren.

Aber auch Veränderungen in bestimmten Hirnarealen sowie ein Ungleichgewicht an Botenstoffen im Gehirn können an der Entwicklung einer Angststörung beteiligt sein. Zu Angststörungen kann es außerdem im Rahmen einer Suchterkrankung oder einer posttraumatischen Belastungsstörung kommen. Und manchmal lassen sich keine eindeutigen Gründe ermitteln.

Diagnose von Angst­störungen

Oft bleiben Angststörungen viel zu lange ohne oder ohne richtige Behandlung. Manchmal werden zwar einzelne Symptome, etwa Schlafstörungen, behandelt. Doch nur wenn eigene Ängste und angstauslösende Situationen in der Praxis offen angesprochen werden, kann eine mögliche Angststörung diagnostiziert und der Leidensdruck gemindert werden.

In einem ausführlichen Gespräch (Anamnese) mit deiner Ärztin oder deinem Arzt lässt sich klären, wie lange die empfundenen Ängste schon bestehen und ob sie über das normale Maß hinausgehen. Körperliche Symptome werden eingehend untersucht, um organische Ursachen und andere Erkrankungen mit einer ähnlichen Symptomatik, wie Schilddrüsenerkrankungen, Herzerkrankungen oder andere psychische Erkrankungen, auszuschließen.

Eine Angststörung liegt vor, wenn Ängste über mehrere Monate sehr häufig auftreten, den Alltag extrem belasten und drohen, außer Kontrolle zu geraten. Angststörungen sind eine seelische Erkrankung und brauchen wie jede körperliche Krankheit eine passende Behandlung.

Therapie von Angst­störungen

Als Behandlung hat sich eine Kombination aus medikamentöser Therapie und kognitiver Verhaltenstherapie, einer bestimmten Form der psychotherapeutischen Behandlung, bewährt. Wichtig für den Erfolg der Therapie ist, dass du zu deiner Erkrankung stehst und die Zusammenhänge zwischen angstauslösenden Situationen und Beschwerden kennst. Mit der Zeit gelingt es dir immer besser, deine Ängste in den Griff zu bekommen. Eine umfassende Therapie könnte diese Elemente aufweisen:

  • Antidepressiva und beruhigende Arzneimittel können Ängste lindern. Bitte immer nur in Absprache mit der Arztpraxis einnehmen.
  • In einer Verhaltenstherapie lernen Betroffene, Ängste besser zu kontrollieren und ihr Verhalten anzupassen. Vermeidendes Verhalten kann mit der Zeit korrigiert werden.
  • Entspannungstechniken oder Atemtechniken können helfen, Angstsituationen zu entschärfen und Stress zu mildern.

Was kannst du selbst gegen Ängste tun?

Wenn du offen mit deinen Ängsten umgehst und mit anderen darüber sprichst, hast du schon einen wichtigen Schritt zur Bewältigung deiner Ängste getan. Kleine Verhaltensänderungen können helfen, besser mit Ängsten zurechtzukommen:

  • Auch wenn es oft schwerfällt, ist es wichtig, sich zu überwinden und die Konfrontation mit der ängstigenden Situation zu suchen. Also bei Angst vor engen Räumen und Menschenansammlungen bewusst in den vollen Bus steigen, nicht in ein Taxi. So kann man verhindern, dass sich vermeidendes Verhalten verfestigt.
  • Bei einer Panikattacke kannst du bewusst versuchen, deine Atmung zu kontrollieren und so den auslösenden Stress reduzieren. Auch Wissen hilft dir bei Panik: Wenn du dir klarmachst, dass die Symptome keinen Herzinfarkt oder Schlaganfall auslösen und dass die Attacke von selbst wieder vorübergeht, bekommst du die Situation besser in den Griff.
  • Körperliche Aktivität kann deine Ängste mildern und dein Selbstbewusstsein stärken. Sport in Gemeinschaft beugt außerdem der sozialen Isolation vor.
  • In Selbsthilfegruppen kannst du offen über deine Ängste sprechen. Der Erfahrungsaustausch tut einfach gut. Passende Angebote findest du z. B. auf der Website von Nakos. Nakos steht für „Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen“.

Mentale Gesundheit

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