Häusliche Gewalt: Was tun?

Häusliche Gewalt kann jede*n treffen – doch niemand muss sie hilflos aushalten. Wie du Frühwarnzeichen erkennen und wo du Unterstützung finden kannst.

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Häusliche Gewalt kann jede*n treffen – doch niemand muss sie hilflos aushalten. Wie du Frühwarnzeichen erkennen und wo du Unterstützung finden kannst.

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Was versteht man unter häuslicher Gewalt?

Häusliche Gewalt ist mehr als körperliche Angriffe – sie ist ein tiefgreifender Vertrauensbruch, der dort passiert, wo wir uns eigentlich sicher fühlen sollten: im eigenen Zuhause. Sie kann zwischen Ehe- oder Lebenspartner*innen, Ex-Partner*innen sowie anderen im Haushalt lebenden Personen stattfinden – zwischen Eltern und Kindern, Großeltern und Enkelkindern.

Häusliche Gewalt zeigt sich auf viele Arten. Sie kann laut und offensichtlich sein, aber auch leise und fast unsichtbar – doch sie hinterlässt immer Spuren:

  • Körperliche Gewalt: Schläge, Tritte, Würgen oder andere körperliche Angriffe
  • Psychische Gewalt: Einschüchterung, Drohungen, Erniedrigung oder soziale Isolation
  • Sexuelle Gewalt: Vergewaltigung, sexuelle Nötigung oder andere Formen von sexueller Zwangshandlung
  • Ökonomische Gewalt: finanzielle Kontrolle, Verweigerung von Geld oder das Verhindern von finanzieller Unabhängigkeit
  • Digitale Gewalt: Stalking, Überwachung, Verbreitung intimer Bilder oder Cybermobbing

Die Zahl der Fälle häuslicher Gewalt in Deutschland steigt seit Jahren. Im Jahr 2023 wurden laut Bundeskriminalamt 256.276 Menschen Opfer häuslicher Gewalt – ein Anstieg von 6,5 % im Vergleich zum Vorjahr. Besonders betroffen sind Frauen: 70,5 % der Opfer sind weiblich, während die meisten Täter männlich sind (75,6 %). Die Gewalt endet in einigen Fällen tödlich – im Jahr 2023 wurden 155 Frauen und 24 Männer von ihrem Partner, ihrer Partnerin oder einer bzw. einem Ex-Partner*in getötet.

Häusliche Gewalt kann in allen sozialen Schichten, Altersgruppen und kulturellen Hintergründen vorkommen. Die körperlichen und seelischen Wunden, die sie hinterlässt, begleiten die Betroffenen oft ein Leben lang.

Wer ist betroffen?

Frauen sind am häufigsten von häuslicher Gewalt betroffen. Besonders gefährlich ist die Zeit rund um eine Trennung, da die Gewalt dann oft eskaliert. Auch während der Schwangerschaft steigt das Risiko. Viele Frauen erleben in dieser verletzlichen Phase zum 1. Mal Gewalt oder sehen sich einer Zunahme der Übergriffe ausgesetzt.

Sprachbarrieren, finanzielle Abhängigkeit oder ein unsicherer Aufenthaltsstatus können dazu führen, dass Migrant*innen sich nur schwer vor gewalttätigen Beziehungen schützen können. Die Angst vor Abschiebung oder die fehlende Unterstützung durch ein soziales Netzwerk verstärken die Isolation – und gestalten den Ausweg oft noch schwieriger.

Doch häusliche Gewalt betrifft nicht nur heterosexuelle Paare. Auch in gleichgeschlechtlichen Beziehungen kommt es zu Gewalt. Hier erschweren zusätzlich Diskriminierung und gesellschaftliche Ausgrenzung den Weg zur Hilfe.

Besonders schwer wiegt die Last für Kinder. Sie erleben Gewalt nicht nur als direkte Opfer von Misshandlung oder Vernachlässigung, sondern auch als stille Zeug*innen, wenn ein Elternteil leidet. Die Folgen können sie ein Leben lang begleiten – mit psychischen und gesundheitlichen Schäden, die oft erst Jahre später sichtbar werden.

Auch Männer sind betroffen, jedoch seltener (laut Bundeskriminalamt knapp 30 % der Betroffenen). Viele sprechen nicht darüber, weil gesellschaftliche Rollenbilder es ihnen erschweren, sich als Opfer zu zeigen.

Gesundheitliche Folgen

Häusliche Gewalt hinterlässt tiefe Spuren – nicht nur bei den direkt Betroffenen, sondern auch bei den Menschen in ihrem Umfeld. Die seelischen und körperlichen Folgen können ein Leben lang anhalten.

Besonders Kinder leiden, wenn sie Gewalt zu Hause miterleben. Sie fühlen sich oft hilflos, verängstigt oder schuldig. Viele entwickeln Ängste, Depressionen oder Aggressivität. In der Schule haben sie Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren und Vertrauen zu anderen aufzubauen. Noch schlimmer: Wer als Kind Gewalt erfährt, hat ein höheres Risiko, später selbst Opfer oder Täter*in zu werden. Ein Kreislauf, der nur durch Hilfe und Unterstützung durchbrochen werden kann.

Psychische Folgen

  • Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS): Flashbacks, Albträume und ständige Angstzustände, übermäßige Wachsamkeit und Schreckhaftigkeit, Vermeidung von bestimmten Orten oder Menschen
  • Depressionen: Antriebslosigkeit, Hoffnungslosigkeit und sozialer Rückzug, Suizidgedanken oder Selbstverletzung, Schlafstörungen und Erschöpfung
  • Angststörungen: Panikattacken, übermäßige Sorgen und Nervosität, Misstrauen gegenüber anderen Menschen
  • Geringes Selbstwertgefühl: Gefühl der Wertlosigkeit oder Schuld für die erlittene Gewalt, Schwierigkeiten, sich aus der toxischen Beziehung zu lösen
  • Suchterkrankungen: Alkohol-, Drogen- oder Medikamentenmissbrauch als Bewältigungsstrategie, Essstörungen oder selbstschädigendes Verhalten
  • Bindungs- und Beziehungsprobleme: Schwierigkeiten, Vertrauen zu neuen Partner*innen oder Menschen aufzubauen, emotionale Abhängigkeit oder Angst vor Nähe

Körperliche Folgen

  • Akute Verletzungen: Äußere Verletzungen wie Prellungen, Schnitte, Knochenbrüche oder Verbrennungen, innere Verletzungen und Kopfverletzungen durch stumpfe Gewalt
  • Chronische Schmerzen: Kopf-, Rücken- oder Bauchschmerzen ohne erkennbare medizinische Ursache, Migräne, Verspannungen und Muskelprobleme
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Bluthochdruck, erhöhte Stresshormone, erhöhtes Risiko für Herzinfarkte oder Schlaganfälle
  • Magen-Darm-Probleme: Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen oder Reizdarmsyndrom, Appetitverlust, Essstörungen
  • Gynäkologische Beschwerden: ungewollte Schwangerschaften, sexuell übertragbare Infektionen, Menstruationsstörungen oder Unfruchtbarkeit durch anhaltenden Stress, Blutungen oder ungeklärte Unterbauchschmerzen, Schwangerschaftskomplikationen, erhöhtes Fehl- und Frühgeburtsrisiko, postpartale Depression
  • Erschöpfung und Schlafstörungen: Einschlafprobleme, Schlafmangel oder Albträume, chronische Müdigkeit, Konzentrationsprobleme

Frühwarnzeichen in einer toxischen Beziehung

Häusliche Gewalt beginnt selten plötzlich – oft gibt es frühe Warnsignale, die leicht übersehen oder verharmlost werden. Was zunächst nach übertriebener Eifersucht oder gar liebevoller Fürsorge aussieht, kann der Beginn eines gefährlichen Musters sein. Deshalb ist es wichtig, aufmerksam zu bleiben und auf folgende Anzeichen zu achten.

  • Dein*e Partner*in möchte bestimmen, mit wem du dich triffst, was du anziehst oder wohin du gehst.
  • Sie bzw. er verlangt ständig, dass du über deine Aktivitäten Rechenschaft ablegst.
  • Deine Partner*in überprüft dein Handy, deine Nachrichten oder deine Social-Media-Profile ohne deine Zustimmung.

  • Deine Partner*in reagiert übertrieben eifersüchtig, selbst auf Freundschaften oder Familienkontakte.
  • Sie bzw. er macht dir Vorwürfe, wenn du Zeit ohne sie bzw. ihn verbringst.
  • Du fühlst dich schuldig, wenn du ohne sie bzw. ihn etwas unternimmst.

  • Dein*e Partner*in hält dich davon ab, Freund*innen oder Verwandte zu treffen.
  • Sie bzw. er beschwert sich ständig über deine Liebsten oder setzt dich unter Druck, den Kontakt zu reduzieren.
  • Du merkst, dass du dich immer mehr zurückziehst.

  • Dein*e Partner*in beleidigt, erniedrigt oder verspottet dich – zu Hause, aber auch vor anderen.
  • Sie bzw. er macht sich über dein Aussehen, deine Arbeit oder deine mangelnden Fähigkeiten lustig.
  • Sie bzw. er betreibt Gaslighting, verdreht also Tatsachen und lässt dich an deiner Wahrnehmung zweifeln.

  • Dein*e Partner*in wird in Konflikten laut, aggressiv oder droht mit Konsequenzen, z. B. Trennung oder Selbstmord.
  • Sie bzw. er schlägt gegen Wände, zerbricht Gegenstände oder wirft mit Dingen.
  • Du hast Angst, eine heftige Reaktion auszulösen, wenn du deine Meinung oder Nein sagst.

  • Dein*e Partner*in übernimmt nie Verantwortung für ihr bzw. sein Verhalten und macht dich für alles verantwortlich.
  • Sie bzw. er sagt Sätze wie: „Du bringst mich dazu, so wütend zu werden!“
  • Sie bzw. er entschuldigt sich nach einem Streit, aber das Verhalten wiederholt sich.

  • Dein*e Partner*in schubst, packt oder hält dich fest – anfangs vielleicht nur „spielerisch“.
  • Sie bzw. er verletzt dich oder droht mit Gewalt.
  • Nach Wutausbrüchen zeigt sie bzw. er Reue, verspricht Besserung – doch es passiert wieder.

Du bist nicht schuld! Hier findest du Hilfe

Sei dir sicher: Gewalt ist niemals deine Schuld! Niemand hat das Recht, dich zu kontrollieren, dir Angst zu machen oder dich zu verletzen. Hilfe gibt es jederzeit – du bist nicht allein.

Es ist ganz normal, dass du zweifelst, dich vor der Reaktion der Tatperson oder der Zukunft fürchtest oder dich für deine Situation schämst, bevor du dir Hilfe suchst. Sich aus einer gewalttätigen Beziehung zu lösen ist nicht einfach. Aber: Je eher du es schaffst, den 1. Schritt zu gehen, desto schneller wird es dir besser gehen. Deine Lage ist nicht aussichtlos, auch wenn es dir vielleicht so vorkommen mag.

Solltest du 1. Warnzeichen erkennen, gilt: Vertrau auf dein Bauchgefühl und werde sofort aktiv!

  • Achte auf dein Bauchgefühl: Fühlst du dich oft unwohl oder ängstlich in der Beziehung?
  • Sprich mit jemandem über deine Sorgen und Erlebnisse, z. B. mit Freund*innen, der Familie oder Beratungsstellen.
  • Setz klare Grenzen: Wenn dein*e Partner*in diese nicht respektiert, ist das ein Warnsignal.
  • Informier dich über deine Rechte und Schutzmöglichkeiten.
  • Plan eine sichere Exit-Strategie, falls du die Beziehung beenden möchtest.

Tipp: Wenn du merkst, dass du dich veränderst, z. B. ängstlicher oder unsicherer wirst und/oder dich selbst isolierst, ist das oft ein Zeichen für eine ungesunde Beziehung. Hol dir frühzeitig Unterstützung! In Deutschland gibt es verschiedene Beratungsstellen, Notrufnummern und Schutzangebote, die Betroffene von häuslicher Gewalt in Anspruch nehmen können.

Notrufnummern und Soforthilfe

Beratungsstellen und Unter­stützungs­angebote

  • Beratungsstellen für häusliche Gewalt: Caritas, Diakonie, AWO und DRK bieten kostenlose Beratung für Betroffene, Angehörige und Zeug*innen sowie Unterstützung bei rechtlichen Fragen, Trennung, Wohnsituation, Sorgerecht etc.
  • Pro Familia und Frauennotrufe: Hilfe bei sexueller Gewalt, ungewollter Schwangerschaft und Traumata
  • Opferhilfeorganisationen: Weißer Ring, Wildwasser oder Frauenberatungsstellen bieten psychologische Unterstützung und rechtliche Beratung sowie Begleitung zu Polizei oder Gericht

Rechtliche Hilfe

  • Opferanwältinnen und -anwälte und Frauenberatungsstellen: Hilfe bei Strafanzeigen, Schutzanordnungen und einstweiligen Verfügungen, z. B. einem Kontaktverbot nach dem Gewaltschutzgesetz
  • Polizeiliche Wegweisung: Die Polizei kann die Täterin bzw. den Täter für mehrere Tage aus der Wohnung oder dem Haus verweisen.
  • Sozial- und Jugendämter: Unterstützung bei Wohnungssuche, Beantragung von finanziellen Hilfen und Kinderschutz

Trennung sorgfältig planen

Das Beenden einer gewalttätigen Beziehung ist oft der gefährlichste Schritt für die Betroffenen von häuslicher Gewalt. Viele Täter*innen eskalieren ihre Gewalt, wenn sie merken, dass ihre Partnerin oder ihr Partner gehen möchte. Besonders für Frauen wird es in diesem Moment gefährlich – in Deutschland wird fast jeden 3. Tag eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet. Deshalb sind eine sorgfältige Planung und Unterstützung durch Hilfsorganisationen entscheidend.

Gefahren beim Verlassen einer gewalttätigen Person

  • Erhöhtes Risiko für Gewalt: Viele Täter*innen reagieren auf eine Trennung mit noch mehr Aggression, vor allem Männer sogar mit tödlicher Gewalt.
  • Stalking und Nachstellung: Die Tatperson könnte das Opfer verfolgen, belästigen oder bedrohen.
  • Psychische Manipulation: Täter*innen versuchen oft, ihre Opfer durch Schuldgefühle, Drohungen oder emotionale Erpressung zurückzuhalten.
  • Finanzielle Abhängigkeit: Viele Frauen haben keinen Zugang zu Geld oder befürchten, allein nicht finanziell überleben zu können.
  • Kinder und Sorgerechtsprobleme: Die Täterin bzw. der Täter könnte mit dem Entzug der Kinder drohen oder rechtliche Schritte einleiten.
  • Soziale Isolation: Manche Opfer haben kaum Unterstützung von Familie oder Freund*innen, weil die Tatperson sie isoliert hat.

Information

Hier findest du Hilfe

Bei Belästigung, Gewalt oder wenn die eigenen Sorgen oder Gefühle viel zu viel werden, ist es wichtig, Hilfe zu holen. Ob eine nahestehende Person, jemand Professionelles oder eine Beratungsstelle: Es gibt viele Möglichkeiten für dich.