Trauer bewältigen: Umgang mit dem Tod

Wenn ein geliebter Mensch stirbt, gerät das Leben aus den Fugen. Mit dem Verlust geht jede*r anders um. Manche Menschen trauern allein, anderen hilft es, gemeinsam zu erinnern – und nach vorn zu blicken.

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Wenn ein geliebter Mensch stirbt, gerät das Leben aus den Fugen. Mit dem Verlust geht jede*r anders um. Manche Menschen trauern allein, anderen hilft es, gemeinsam zu erinnern – und nach vorn zu blicken.

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Umgang mit dem Tod: Jeder Mensch trauert anders

Der Tod eines geliebten Menschen kann mit intensiven und oft überwältigenden Emotionen einhergehen: Traurigkeit, Sehnsucht, Wut, Verzweiflung, Schuld, Angst, Leere, Einsamkeit, Überforderung, Erleichterung. Diese Gefühle zu fühlen – oder auch nicht zu fühlen –, ist vollkommen normal. Trauer ist sehr individuell und hängt von der Beziehung zur verstorbenen Person und den Umständen des Todes ab. Sie ist eine natürliche Antwort auf den Verlust eines uns nahestehenden Menschen. Die emotionale Reise durch die Trauer ist für jede Person einzigartig. Sie folgt keiner festen Reihenfolge, und es gibt kein Richtig oder Falsch.

Wichtig ist, dass du die Trauer und alle Gefühle, die dadurch entstehen, zulässt und nicht verdrängst. Das hilft dir dabei, den Verlust zu begreifen und zu akzeptieren, eine neue Beziehung zum verstorbenen Menschen zu finden sowie dein eigenes Leben wieder zu ordnen.

Körperliche Auswirkungen von Trauer

Trauer hat nicht nur Auswirkungen auf deine Seele, sondern auch auf deinen Körper. Grund dafür ist häufig der enorme emotionale Stress. Das ist normal und Teil des natürlichen Trauerprozesses.

Das sind die häufigsten körperlichen Reaktionen auf Trauer:

  • Müdigkeit und Erschöpfung
  • Schlafstörungen
  • Verändertes Essverhalten
  • Körperliche Schmerzen
  • Herzklopfen und Atembeschwerden
  • Schwächung des Immunsystems
  • Schwindel und Benommenheit
  • Übelkeit und Verdauungsprobleme

Nimm dir für deine Trauer so viel Zeit, wie du benötigst. Sollten die Symptome im Laufe der Zeit nicht abklingen oder immer schlimmer werden, ist es wichtig, sich nahestehenden Menschen anzuvertrauen oder ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Der Trauerprozess

Lange nahm man an, dass der Trauerprozess in bestimmten Phasen abläuft. Heute ist dieses Modell überholt. Viele Expert*innen sind sich einig: Trauer hat kein klares Ende, und jeder Trauerprozess verläuft anders – unterschiedlich intensiv und verschieden lang. Welche Emotionen du durchlebst und was dir dabei hilft, den Verlust zu verarbeiten, ist individuell.

„Trauer zieht dir den Boden unter den Füßen weg”, weiß Anemone Zeim, Trauer- und Prozessbegleiterin bei „Vergiss Mein Nie“. „Sofort geht alle Farbe aus dem Alltag. Der Sinn geht verloren. Trauer ist der Anpassungsprozess.” Der Tod eines geliebten Menschen ist erst einmal ein Schock. Manche Menschen fühlen sich in den Tagen und Wochen danach wie ein Roboter. Sie funktionieren im Autopilot-Modus. Die Emotionen kommen erst später, sagt Anemone Zeim: „Wir sind wie in einem Goldfischteich eingefroren. Alle Gefühle sind Goldfische. Die kommen gar nicht hoch. Erst später – Wochen, Monate später – können die Gefühle sich ein bisschen zeigen. Der ‚Beerdigungszirkus‘ ist dann schon lang weggezogen. Alle sind wieder normal. Was auch richtig ist. Für eine trauernde Person bleibt die Welt aber stehen. Wenn sie dann merkt, ‚Ich hätte gern jemanden zum Reden‘, sind meist 3-6 Monate vergangen."

Trauer endet nicht mit der Beerdigung. Aber ab wann wird sie erträglich? „Wenn man innerlich nicht mehr um den Moment des Verlusts kreiselt, um das Warum. Sondern wenn man mit Liebe und Wohlwollen auf die gemeinsame Zeit gucken und etwas davon in die neue Gegenwart holen kann”, sagt Trauerbegleiterin Anemone Zeim. Den Prozess kann man nicht beschleunigen, weiß sie. „Natürlich werden die Ausschläge etwas milder über die Jahre. Und trotzdem kann es wieder schwierigere Zeiten geben. Wenn man sich nicht mehr gegen die Trauer wehrt, sie zulässt und einlädt, dann wird sie Stück für Stück mehr schöne Bilder und Erinnerungen mit sich bringen.”

Information

„Viele wollen die Trauer loswerden. …

Sie kann uns aber auch umarmen. Sie kann uns Nostalgie und Erinnerungen schenken.”

– Anemone Zeim, Trauer- und Prozessbegleiterin bei „Vergiss Mein Nie!”

Trauer bewältigen: Hilfe bei akuter Trauer

Es gibt kein Geheimrezept, mit dem es Trauernden plötzlich besser geht. Diese kleinen Tipps und Tricks können dir helfen, dich durch deine Trauer zu navigieren:

Für Zeiten, in denen deine Trauer dich zu überwältigen droht: Platziere dir einen kleinen Zettel an einem gut sichtbaren Ort, an dem du mehrmals täglich vorbeigehst. Auf dem Zettel steht:

  • Mich beruhigt, wenn …
  • Ich kann immer anrufen bei …
  • Wenn scheinbar nichts mehr geht, gehe ich diesen kleinen Schritt: …

Ein geregelter Tagesablauf und feste Strukturen geben Halt, wenn die Trauer dich aus der Bahn zu werfen droht. Überleg dir, wie du deinen Tag verbringen möchtest, was dir Freude bereitet, und mach dir einen Plan:

  • Wann stehst du auf, und was tust du direkt nach dem Aufwachen?
  • Wo frühstückst du und trinkst z. B. deinen 1. Kaffee?
  • Wie gestaltest du deine Freizeit? Mach z. B. einen Spaziergang, geh einkaufen oder verabrede dich mit Freund*innen.
  • Was möchtest du essen und kochen?
  • Was machst du in der letzten halben Stunde vor dem Schlafengehen?

Überleg, was dir guttut und plane die Aktivitäten fest in deinen Alltag mit ein: Treffen mit Freund*innen, Ablenkung, Entspannung, regelmäßige Mahlzeiten, gemeinsam statt allein essen, die Wohnung oder das Haus mind. 1x am Tag verlassen, vor dem Schlafengehen meditieren etc.

Joggen, Tennis, Fitness oder Mannschaftsport: Beim Sport bekommen viele Menschen den Kopf frei und fühlen sich im Anschluss daran ausgeglichener. Die kleine Auszeit von der Trauer ermöglicht es dir, deine Gedanken auf bestimmte Bewegungsabläufe zu lenken, Stress abzubauen und dir neue Ziele zu stecken.

Wenn sich das Gedankenkarussell immer schneller dreht – oder feststeckt –, lohnt es sich, kurz auszusteigen. Diese Aktivitäten fordern deine volle Konzentration und bringen Ruhe ins Gedankenwirrwarr:

  • Meditation
  • Yoga
  • Atemübungen
  • Mandalas malen
  • Sudokus lösen
  • Puzzeln
  • Musizieren und singen

Die verstorbene Person muss nicht aus deinen Gedanken verschwinden, damit es dir besser geht. Krame in deinen Erinnerungen nach schönen gemeinsamen Momenten und schau dir Erinnerungsstücke und Fotos an. Manchen Menschen hilft es, Gedenkorte oder Gedenktage (Geburtstage, Todestage etc.) zu schaffen.

Auch das ist mal okay: Der Antrieblosigkeit nachgeben und einfach nichts tun. Bleib einen Tag im Bett oder auf dem Sofa liegen – ganz ohne Selbstvorwürfe. Lies ein Buch, schau deine Lieblingsserie, bestell dir etwas zu essen oder telefoniere mit einer Freundin oder einem Freund. Morgen geht es dann mit aufgeladenen Batterien weiter.

Jetzt mal ehrlich – Der Real-Talk Podcast

Tod und Trauer können ganz unvermittelt in unser Leben treten. In Folge 1 der 2. Staffel unseres Vodcasts erzählt uns Karolina Deiss vom Verlust ihres nur 15 Monate alten Kindes. Anemone Zeim, Trauerbegleiterin bei „Vergiss Mein Nie“, berichtet von ihren Erfahrungen mit trauernden Menschen und ihrer Arbeit.

Das Video zu unserem Podcast zum Thema Tod und Trauer

Trauerbegleitung

Da sein, Mitschweigen, Zuhören, Rat geben – eine Trauerbegleitung kann dich dabei unterstützen, deine Gefühle wahrzunehmen und Abschied zu nehmen. Sie kann Gesprächspartner*in sein oder dir dabei helfen, deinen ganz individuellen Ausdruck der Trauer zu finden.

Anemone Zeim ist Trauer- und Prozessbegleiterin bei „Vergiss mein Nie“. Aus Erfahrung weiß sie: „Die beste Trauerbegleitung am Anfang: einfach da sein und keine schlauen Ratschläge geben. Es gibt keinen einzigen Satz, kein Wort, das die Trauer leichter macht. Es gibt nichts, das du sagen kannst. Dieses Gefühl, nebeneinander zu sitzen und gemeinsam nicht zu wissen, wie es jetzt besser werden kann, ist total gut und total elementar.”

Trauernde befinden sich in einer Krisensituation. Familie, Freund*innen und Bekannte haben jetzt die Aufgabe, Sicherheit zu geben. Anemone Zeim empfiehlt, konkrete Angebote zu machen. Statt „Ich bin da, wenn du mich brauchst” oder „Du kannst mich immer anrufen”, sag lieber: „Ich kann mit dir spazieren gehen.” Oder: „Ich kann für dich kochen.” Wenn die trauernde Person ablehnt, versuch es in 2 Wochen noch einmal. Immer wieder. Mit konkreten Vorschlägen.

Manchmal fällt es Hinterbliebenen leichter, von einer fremden Person Hilfe anzunehmen und mit ihr über die Trauer zu sprechen. Ab wann sollte man sich professionelle Hilfe suchen? Anemone Zeim rät: „Hilfe darf man sich immer suchen. In einem Moment, in dem man nicht mehr weiterweiß – und auch immer schon davor. Wenn sich etwas anbahnt, wo man merkt: ‚Das ist zu groß für mich.‘ Es ist immer gut, mit Fremden zu reden, weil man offen reden kann und weil man Sachen sagen kann, die vielleicht woanders erst mal erklärungsbedürftig sind. Das hilft total. Jederzeit, auch 20 Jahre später, darf man sich Hilfe holen. Dafür muss es einem nicht super dreckig gehen.” Hilfe findest du bei der Seelsorge, der Trauerbegleitung, einer Psychologin oder einem Psychologen.

Mentale Gesundheit

Kompass: Therapie- und Beratungsangebot der Pronova BKK

Das Angebot von Kompass unterstützt dich bei psychischen Erkrankungen ganz individuell. Bei einem ausführlichen Vorgespräch erfasst eine Therapeutin oder ein Therapeut deine aktuelle Situation. Im Anschluss erhältst du eine Empfehlung für eine speziell auf dich zugeschnittene Unterstützung.