Wie entsteht Sucht?

Drogen- oder Medikamentensucht oder bestimmte Verhaltensweisen wie Spiel-, Kauf-, Sport-, Sex- oder Onlinesucht: Jede Sucht ist anders. Und doch spielt bei jeder Sucht unser Gehirn eine wichtige Rolle.

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Drogen- oder Medikamentensucht oder bestimmte Verhaltensweisen wie Spiel-, Kauf-, Sport-, Sex- oder Onlinesucht: Jede Sucht ist anders. Und doch spielt bei jeder Sucht unser Gehirn eine wichtige Rolle.

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So entsteht eine Sucht

Ein Glas Sekt zur Feier des Tages, ein Schlückchen Vino für die feierabendliche Entspannung oder ein neues Outfit für die nächste Feierlichkeit. Wenn besondere Anlässe erst einmal zur Routine werden, ebben die anfänglich damit verbundenen Glücksgefühle schnell ab, bis sie schließlich ganz ausbleiben. Das Gehirn verlangt jetzt nach anderen Reizen oder einer Erhöhung der Dosis für die Ausschüttung der ersehnten Glückshormone. Wer nun schnell ein weiteres Glas konsumiert oder noch ein Teil shoppt und das zur Gewohnheit macht, gerät leicht in eine Abhängigkeit.

Verschiedene Drogen beeinflussen unterschiedliche Hirnareale und verändern nachhaltig die Balance von Botenstoffen im Gehirn. Auch das Belohnungssystem gerät in eine Schieflage. An die Stelle der erhofften Glücksgefühle treten irgendwann die negativen Folgen des Drogenkonsums. Anpassungsprozesse im Gehirn führen dazu, dass sich der Drogenkonsum automatisiert und außer Kontrolle gerät.

Substanzen wie Opioide, Kokain oder Alkohol wirken direkt im Gehirn. Sie erhöhen die Dopaminausschüttung um ein Vielfaches: Alkohol um etwa 50-100 %, Kokain sogar um bis zu 1.000 %. Damit tricksen solche Substanzen das Belohnungssystem aus und wirken wie eine Abkürzung zum Glück.

Was ist Sucht?

Sucht beschreibt das unbezwingbare Verlangen nach einem Gefühls- oder Erlebniszustand, der durch ein Rauschmittel, z. B. Alkohol, Cannabis oder Medikamente, oder eine Verhaltensweise, z. B. Sport, Shopping oder Glücksspiel, erreicht wird.

Betroffene sind von der Wirkung ihres Suchtmittels psychisch und häufig auch körperlich abhängig und haben dadurch die Kontrolle über ihr eigenes Verhalten verloren. Sie können nicht mehr steuern, wie häufig und in welchem Ausmaß sie ihrer Sucht nachgeben.

Die Folgeschäden sind körperlicher, aber auch seelischer Natur – und betreffen ebenso das Umfeld der suchtkranken Person.

Schon gewusst? Auch wenn die Begriffe Sucht und Abhängigkeit im Alltag häufig gleichgesetzt werden, sprechen Fachleute nur bei einer substanzgebundenen Sucht von einer Abhängigkeit.

Substanz­gebundene Ab­hängig­keit

Eine Abhängigkeit von Sucht- bzw. Rauschmitteln wie Alkohol, Cannabis, Medikamenten oder Nikotin entsteht oft schleichend und entwickelt sich über Monate oder sogar Jahre hinweg. Häufig ist die Scham groß, und Betroffene versuchen, ihre Abhängigkeit zu verstecken. Deswegen rechnen Expert*innen auch mit einer hohen Dunkelziffer. Dabei sind Betroffene nicht allein. Das zeigt der Epidemiologische Suchtsurvey 2021 des Bundesministeriums für Gesundheit. In Deutschland leben:

  • 11,6 Mio. Raucher*innen
  • 2,9 Mio. Menschen mit problematischem Medikamentenkonsum
  • 1,6 Mio. Alkoholabhängige
  • 1,3 Mio. Konsument*innen von Cannabis und illegalen Drogen

Verhaltens­süchte

Verhaltensweisen, die exzessiv ausgeführt werden, können ebenso abhängig machen wie Drogen. Zu den substanzungebundenen bzw. verhaltensgebundenen Süchten zählen bspw. Kauf-, Sport-, Sex-, Arbeits- oder Onlinesucht. Im Gehirn laufen dabei ähnliche Prozesse ab wie beim Drogenkonsum: Shopping, Sport oder Sex aktivieren das Belohnungssystem und lösen Glücksgefühle aus. Mit der Zeit muss die Dosis immer weiter erhöht werden.

Verhaltensabhängigkeiten kommen zwar ohne schädliche Stoffe aus und führen nicht direkt in eine körperliche Abhängigkeit. Sie können aber dennoch neben psychischen und sozialen Folgen auch körperliche Konsequenzen haben. Wer ständig am PC sitzt, läuft Gefahr, sich zu wenig zu bewegen und sich ungesunde Ernährungsweisen anzugewöhnen. Und auch Entzugserscheinungen auf körperlicher Ebene sind möglich, wenn die glücklich machende Verhaltensweise gerade mal nicht ausgeübt werden kann.

Das Belohnungs­system im Gehirn

Die Aussicht auf Belohnung spornt unser Handeln an. Emotionale Belohnung winkt schon bei der Erfüllung der Grundbedürfnisse: Nach dem Essen sind wir satt und zufrieden, nach dem Schlafen wach und fit, und die Befriedigung sexueller Bedürfnisse setzt einen Glücksrausch frei. Doch auch darüber hinaus ist die Aussicht auf Glücksgefühle die Motivation für viele alltägliche Anstrengungen. Denk nur an das gute Gefühl nach einem erfolgreichen Termin im Job oder wenn du dich im Sport ausgepowert hast.

Das Belohnungssystem im Gehirn macht’s möglich. Eine sinnliche Wahrnehmung oder eine schöne Vorstellung reichen aus, um den Belohnungsmechanismus in Gang zu setzen – bis das Verlangen tatsächlich befriedigt wird.

Dabei entsteht mit der Zeit ein regelrechtes Glücksgedächtnis: Wir erinnern uns, welche Reize eine Belohnung durch Glücksgefühle versprechen, und richten unser Verhalten danach aus. Doch dieses Verlangen nach Glücksgefühlen kann in eine Abhängigkeit umschlagen.

Wie lässt sich eine Sucht erkennen?

Eine Sucht kann Betroffene gleich doppelt aus der Balance bringen, nämlich auf körperlicher und auf psychischer Ebene.

Eine körperliche Abhängigkeit entsteht, wenn sich das Gehirn an die dauernde Versorgung mit Suchtstoffen gewöhnt. Das körpereigene Gleichgewicht der Botenstoffe verändert sich. Wenn die Substanz gerade mal nicht verfügbar ist, gerät die neue Balance in eine Schieflage. Der Körper reagiert mit Symptomen wie Zittern, Schwitzen, Unruhe, Angst, steigendem Blutdruck oder Schmerzen.

Zu einer psychischen Abhängigkeit kommt es durch ein sich entwickelndes Suchtgedächtnis. Bestimmte Muster, also etwa, welche Auslöser mit den ersehnten Glücksgefühlen verknüpft sind, werden hier abgespeichert. Schon kleinste Reize, wie das Geräusch von gegeneinander stoßenden Weinflaschen, wecken ein enormes Verlangen. Dieser erlernte Suchtdruck entsteht bei substanzgebundenen genauso wie bei Verhaltenssüchten. Und er macht es Betroffenen so schwer, wieder die Kontrolle über ihr Verhalten zu bekommen.

Aber ab wann beginnt eine Sucht eigentlich genau? Folgende Anzeichen können auf eine Abhängigkeit hindeuten:

  • Starkes Verlangen: „Ich brauche das jetzt!“
  • Kontrollverlust: „Ich kann nicht mehr stoppen!“
  • Toleranzbildung: „Ich brauche immer mehr!“
  • Entzugserscheinungen und Abstinenzunfähigkeit: „Mein Körper spielt verrückt, und ich kann nicht mehr ohne!“
  • Rückzug aus dem Sozialleben: „Ich fühle mich einsam.“
  • Körperliche Folgeschäden: „Mir geht es immer schlechter, aber ich kann nicht aufhören.“

Sucht bekämpfen

Es ist ganz normal, dass im Leben nicht immer alles glatt läuft. Deswegen: Achte gut auf dich. So erkennst du leicht, ob du möglicherweise gefährdet bist. Mach dich stark gegen Krisen. Hier sind ein paar Tipps für dich:

  • Triff dich mit Familie und Freunden, sprich mit vertrauten Menschen über Probleme.
  • Achte auf die kleinen Glücksmomente im Alltag.
  • Bewegung an frischer Luft macht den Kopf frei und gute Laune.
  • Geh schwierige Situationen aktiv an, statt einfach abzuwarten, ob sich von allein etwas ändert.
  • Stärke deine Fähigkeiten und versuch, an deinen Schwächen zu arbeiten.

So bist du in schwierigen Lebensumständen nicht auf Drogen als vermeintliche schnelle Helfer angewiesen, sondern kannst auf deine eigenen Kräfte vertrauen. Und du schaffst es leicht, „Nein“ zu Drogen zu sagen.

Akute Hilfe und Beratungs­angebote

Wenn du merkst, dass sich eine Abhängigkeit anbahnt oder dich deine Sucht immer mehr belastet, kannst du professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Das ist kein Zeichen von Schwäche. Ganz im Gegenteil: Du hast entschieden, dein Leben wieder in die Hand zu nehmen und aus deiner Komfortzone herauszukommen. Und das ist richtig stark!

Erste Anlaufstelle kann immer deine Hausärztin bzw. dein Hausarzt sein. Gemeinsam könnt ihr besprechen, was der richtige Weg für dich ist. Je nach Abhängigkeit kann z. B. eine Psychotherapie und / oder ein stationärer oder ambulanter Entzug hilfreich sein.

Drogenberatungen und ambulante Suchthilfen gibt es in fast jeder Stadt. Die Suchmaschine deiner Wahl wird dir die passenden Ergebnisse ausspucken.

Auch Selbsthilfegruppen kannst du online finden, z. B. über die NAKOS-Datenbank.

FAQs zur Sucht

Ja, denn im Verlauf der Suchterkrankung bildet sich ein Suchtgedächtnis. Das einmal erlernte Verhalten kann auch nach vielen Jahren durch bestimmte Reize wieder aktiviert werden.

Nein, denn neben genetischen Veranlagungen und Persönlichkeitsmerkmalen sind auch das soziale Umfeld, Stressfaktoren und die Verfügbarkeit der Suchtmittel mitbestimmende Faktoren für die Entwicklung einer Sucht.

Die Grenze zur Sucht ist überschritten, wenn der Konsum von Substanzen wie Alkohol oder die Lieblingsbeschäftigung wie Online-Spielen außer Kontrolle geraten, zwanghaft werden und die erhofften Glücksgefühle ausbleiben. Betroffene schaffen es nicht, die Dosis zu reduzieren. Sie brauchen immer mehr davon und reagieren mit Entzugserscheinungen, wenn die Substanz nicht verfügbar ist.

Ungefähr 20 % der Konsumenten von Drogen entwickeln eine Abhängigkeit. Die genauen Ursachen dafür, warum eine Person abhängig wird, die andere aber nicht, sind noch nicht geklärt. Äußerliche, sogenannte epigenetische Faktoren haben sehr wahrscheinlich ebenfalls einen Einfluss auf die neuronalen Verbindungen im Gehirn. Möglicherweise sind diese Einflüsse von außen mitausschlaggebend für die Entstehung einer Abhängigkeit.

Durch die wiederholte Einnahme von Drogen, Alkohol oder Medikamenten gewöhnt sich der Körper an die Droge. Bei diesem als Toleranzentwicklung bezeichneten Geschehen werden die Rezeptoren im Gehirn unempfindlicher, die Wirkung der Droge schwächt sich mit der Zeit ab. Als Folge muss die Dosis immer weiter erhöht werden. Abhängige geraten in den Teufelskreis der Sucht.

Mentale Gesundheit

Wege aus der Sucht

Einsicht ist der 1. Schritt zur Besserung. Oder wie heißt es so schön? Wir sind stolz auf dich, dass du etwas ändern möchtest oder ein aufmerksames Auge auf deine Liebsten hast. Wenn die eigenen Sorgen oder Gefühle zu viel werden, ist es wichtig, Hilfe zu holen. Ob eine nahestehende Person, jemand Professionelles oder eine Beratungsstelle: Es gibt viele Hilfs- und Beratungsangebote.