Psychische Gesundheit in der Corona-Krise

Leverkusen, 21.01.2021: Wie kommen wir gesund durch die Pandemie? Kontaktbeschränkungen, Abstandsregeln, Maskenpflicht – all das ist seit dem Frühjahr 2020 Alltag geworden.

Leverkusen, 21.01.2021: Wie kommen wir gesund durch die Pandemie? Kontaktbeschränkungen, Abstandsregeln, Maskenpflicht – all das ist seit dem Frühjahr 2020 Alltag geworden.

Wir bemühen uns täglich aufs Neue, uns an Einschränkungen in unserem sozialen Leben, an ein verändertes Lernen und Arbeiten und den Verzicht auf Reisen zu gewöhnen. Doch was bedeutet die Corona-Krise für die Seele? Welche psychischen Folgen bringt ein Lockdown mit sich? Das wollten wir wissen, als wir die Studie „Psychische Gesundheit in der Krise“ planten.

Aus Fachkreisen hörten wir von vollen Psychiatrie-Abteilungen in Kliniken und Schlangen vor den psychologischen Ambulanzen. In der Studie sind wir der Frage nachgegangen, mit welchen Nöten die Menschen in die Praxen von Psychotherapeuten und Psychiatern kommen. Welche seelischen Spuren hinterlassen die Corona-Sorgen? Mit der Veröffentlichung der Studienergebnisse möchten wir Verständnis wecken für diese indirekten Folgen der Pandemie.

Die pronova BKK versteht sich auch als Alltagsbegleiter der Menschen. Um unsere Versicherten ganzheitlich zu versorgen, haben wir ihre physische und psychische Gesundheit im Blick. Noch nie hat ein Virus derart tief in unser Leben und unseren Alltag eingegriffen. Unsere Aufgabe als Krankenkasse ist es, die damit verbundenen Herausforderungen frühzeitig zu erkennen, sie zu verstehen und uns um die Menschen zu kümmern.

Was die Studie zeigt

Eine deutliche Zunahme psychischer Beschwerden beobachten Fachärzte und Therapeuten seit dem Beginn der Corona-Krise. Vor allem Angststörungen, Depressionen und Anpassungsstörungen treten häufiger auf.

Dr. Sabine Köhler, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie vom Berufsverband Deutscher Nervenärzte (BVDN), ordnet die Studienergebnisse ein.

„Jeder Mensch hat eine bestimmte Stressschwelle, die von individuellen, biologischen und Sozialentwicklungs-Faktoren abhängt. Wenn der persönliche Stresslevel überschritten wird, kann jeder psychische Erkrankungen entwickeln. Wir erklären das mit dem Vulnerabilitäts-Stress-Modell. Kurz gesagt beinhaltet dieses die Aussage, dass Menschen, die ohnehin weniger stabil sind und über weniger Resilienz-Faktoren verfügen, besonders gefährdet sind.“

Terminanfragen in Praxen und Kliniken haben vor allem im dritten Quartal 2020 zugenommen. Drei Viertel der Psychiater und Psychotherapeuten stellen sich auf einen Corona-bedingten Anstieg psychischer Erkrankungen in den kommenden zwölf Monaten ein.

„Ich bin von dem Ansturm nicht überrascht. Während im Frühjahr viele aufgrund der ungeahnten Krisensituation erstmal im Überlebensmodus waren und im Sommer auf Entspannung gehofft hatten, zeigen sich nun mit der zweiten Welle Folgeerkrankungen der Pandemie wie Ängste, Depressionen, Zwangsstörungen und Suchterkrankungen.“

Die Corona-Pandemie verstärkt psychische Beschwerden wie Ängste, Überforderung oder Nervosität.

„Menschen, die es schon vor der Krise nicht leicht hatten, werden nun von ihr besonders schwer getroffen. Stabilisierende Faktoren brechen weg: Zum Beispiel müssen Patienten auf den gewohnten Alltag verzichten oder auch auf Therapiegruppen, die wegen der Kontaktbeschränkungen ausfallen mussten. All das bedeutet Stress für die Patienten und lässt psychische Beschwerden stärker aufflammen.“

Der Corona-Alltag bringt Stressmomente für die Seele mit sich. Dazu zählen soziale Isolation durch eingeschränkte Kontakte zu Freunden, Kollegen und Familie, Homeoffice und Kinderbetreuung oder Homeschooling, familiäre Konflikte und räumliche Enge zu Hause, aber auch finanzielle Sorgen, Zukunftsängste und die Furcht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes.

„Besonders gefährdet, psychisch zu erkranken, sind Mütter und Senioren sowie Menschen in der ersten Phase ihres Berufslebens. Wer heute in den Job startet, hat nicht selten eine mehrjährige Ausbildung hinter sich. Es stehen die ersten Karriereschritte an. Im Privatleben rückt für viele die Familiengründung näher. In dieser Rush Hour des Lebens sind Menschen besonders verwundbar durch soziale Umwälzungen, wie z. B. die Folgen der Corona-Krise, der Druck ist sehr groß. In den Familien wächst der Druck auf Frauen, weil sie den Großteil der Aufgaben zu Hause übernehmen. Dazu gehört in Zeiten geschlossener Kitas und Schulen auch die Kinderbetreuung. In der Krise wirken traditionell festgelegte Rollen stärker. Wir verfallen gesellschaftlich in Versorgungsstrukturen, die wir eigentlich längst hinter uns haben sollten. Senioren leiden besonders, weil sie einerseits somatisch gefährdet sind und ihnen andererseits die Einsamkeit zusetzt. Ihr soziales Netz ist häufig dünner“, so Dr. Sabine Köhler.

Ärzte und Therapeuten beobachten in der Krise vermehrt Alkoholprobleme. Patienten, die schon vor der Krise wegen psychischer Probleme in Behandlung waren, greifen vermehrt zu Bier, Wein oder Spirituosen.

„Dem Alkoholismus liegen häufig psychische Beschwerden wie Angsterkrankungen zugrunde. Zur Stressbewältigung greifen die Betroffenen zur Flasche. Feste Routinen, ein soziales Netz und Selbsthilfegruppen helfen, die Alkoholsucht in den Griff zu bekommen. Um trocken zu bleiben, sind diese Strukturen für Alkoholiker wichtig – in der Corona-Krise aber vielfach weggebrochen. Deshalb sind Alkoholiker stark gefährdet, einen Rückfall zu erleiden.“

Darüber hinaus sind auch bisher unbelastete Menschen durch die Krise stärker gefährdet, in die Abhängigkeit zu rutschen. Das Glas Wein am Abend zur Entspannung oder um besser einschlafen zu können kann leicht zur Gewohnheit werden. Die Entwicklung einer Suchterkrankung verläuft dabei fließend und ist unter anderem von der Menge und der Häufigkeit des Konsums abhängig. So gelten bei Frauen schon ein Glas Wein und bei Männern zwei Gläser Bier pro Tag als gesundheitlich bedenklich.

Was hilft gegen den Corona-Blues?

Die Pandemie und die Schutzmaßnahmen gegen das Virus werfen den Alltag durcheinander – damit wir nicht den Boden unter den Füßen verlieren, empfehlen Experten vor allem klare Strukturen und Bewegung. Drei Viertel der befragten Psychotherapeuten und Psychiater raten dazu, den Alltag bewusst an die neuen Gegebenheiten anzupassen und klar zu strukturieren. Sport und Bewegung sind aus Expertensicht fast genauso wichtig, um die negativen Auswirkungen der Corona-Krise auf die Seele abzumildern. Am besten ist es, einen Tagesplan zu verfolgen, in dem Bewegung Teil des Ablaufs ist – sei es eine Joggingrunde am Morgen, ein Spaziergang nach dem Mittagessen oder ein Workout nach Feierabend. Am Ende kommt es nicht darauf an, sportliche Höchstleistungen zu erreichen. Jeder und jede sollte im Rahmen der eigenen Möglichkeiten Bewegung einplanen, die ihm oder ihr guttut. Das steigert das Wohlbefinden. Wer sich gestresst fühlt oder nicht zur Ruhe kommt, dem können Entspannungstechniken helfen.

Gegen Einsamkeit und dunkle Gedanken hilft es, Kontakte zu pflegen. Im Rahmen des Erlaubten geht das persönlich mit einzelnen Begegnungen auf Abstand, aber auch über Telefon, E-Mail oder Video. Der Austausch mit Familie, Freunden und Bekannten kann eine große Stütze sein, auch um die eigenen Erlebnisse, Gedanken und Gefühle in der Pandemie zu verarbeiten.

Hilfe holen, wenn der Druck zu groß wird

Ganz wichtig: Bei anhaltenden psychischen Beschwerden raten Experten dazu, sich Hilfe zu suchen. Erster Ansprechpartner ist die Hausarztpraxis. Eine Anmeldung in einer psychiatrischen Facharztpraxis oder beim Psychotherapeuten ist möglich und kann über die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen organisiert werden. Die deutschlandweite Rufnummer ist 116 117. Aber auch die Krankenkasse kann bei der Suche nach psychologischer Unterstützung weiterhelfen. Auf keinen Fall sollten Betroffene zur Stressbewältigung zu Alkohol oder Drogen greifen.

Persönliche Resistenz sehr unterschiedlich

Alle Menschen sind von der Corona-Pandemie betroffen. Einige können sich mit den Einschränkungen besser arrangieren, andere haben größere Schwierigkeiten. Das liegt an äußeren Umständen oder auch an (psychischen) Vorerkrankungen, die in der Krise wieder stärker hervortreten. Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir auf uns, aber auch auf andere achten. Wenn wir deutliche Veränderungen bei unseren Mitmenschen wahrnehmen, sollten wir Hilfe holen.

Pressekontakt Pronova BKK

Nina Remor
Pronova BKK
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