Die Ergebnisse der Studie „Fitness 2022“ zeigen, dass Homeoffice, geschlossene Sportstudios und weniger Alltagsbewegung Spuren hinterlassen haben. Wir haben den Personal- und Athletiktrainer Arne Greskowiak um eine Einordnung der Ergebnisse gebeten.
Die Ergebnisse der Studie „Fitness 2022“ zeigen, dass Homeoffice, geschlossene Sportstudios und weniger Alltagsbewegung Spuren hinterlassen haben. Wir haben den Personal- und Athletiktrainer Arne Greskowiak um eine Einordnung der Ergebnisse gebeten.
Pronova BKK: 30 Prozent der Deutschen fühlen sich weniger fit als vor Corona. Was hat die Pandemie mit der sportlichen Leistungsfähigkeit der Deutschen gemacht?
Arne Greskowiak: Die ohnehin Sportlichen finden immer einen Weg, auch unter schweren Bedingungen ihr Training durchzuführen. Für die, die sowieso nichts machen, gab es jetzt eine einfache Ausrede. Problematisch war die „Mitte“. Sie musste ein Konzept finden, die fehlende Alltagsbewegung zu ersetzen – ohne zu wissen, wie lange die Corona-Situation andauert. Viele haben sich Fahrradergometer und Co. angeschafft. Dabei ist wichtig, die Geräte in den Alltag zu integrieren, nicht im Keller verstauben zu lassen.
Pronova BKK: Männer bescheinigen sich in der Studie ein höheres Fitnesslevel. Wie kommt das?
Arne Greskowiak: Gerade Männer unter 50 überschätzen sich oft und fühlen sich kräftiger als sie sind. Das zeigt sich bei vielen Sportveranstaltungen, bei denen die Herren schnell losrennen aber nicht durchhalten. Während Männer nach kurzer Internetrecherche die Hanteln ausprobieren, schließen sich Frauen eher Online-Gruppenformaten an. Sie suchen öfter nach professioneller Anleitung.
Pronova BKK: Wie konnten es immerhin 38 Prozent der fitten Deutschen schaffen, ihre Sportlichkeit während der Pandemie zu steigern?
Arne Greskowiak: Für ein gesundes Leben im Alltag muss die Fitness auf der Prioritätenliste nach oben wandern und hinter Familie und Arbeit ihren Platz finden. Ich sage beim Personal Training immer, dass jeder ein Prozent seiner Zeit für Sport aufwenden kann. Das klingt wenig, sind aber immerhin 100 Minuten pro Woche, die zum Beispiel in zwei Mal 50 Minuten aufgeteilt werden können. Wichtig ist ein individueller Trainingsplan.
Pronova BKK: Durch Corona leiden die Menschen unter Bewegungsmangel, Rücken- und Nackenschmerzen und auch psychischen Problemen.
Arne Greskowiak: Zwei Drittel sind eine sehr hohe Zahl an Beeinträchtigten. Psychisch haben die fehlenden Kontakte und der geänderte Alltag Spuren hinterlassen. Alltagsbewegungen sind weggefallen, wenn man zum Arbeiten vom Bett direkt an den Küchentisch gewandert ist. Die ungesunde Haltung auf unergonomischen Stühlen über die lange Zeit des Homeoffice-Provisoriums wirkt sich auf Rücken und Nacken aus.
Pronova BKK: Was können Betroffene dagegen tun?
Arne Greskowiak: Wir müssen wieder mehr Bewegung in unseren Alltag bekommen. Ziel sind 7.000 Schritte am Tag, aufgezeichnet mit einer App oder Uhr. Dafür muss man falsche Gewohnheiten durchbrechen und gezielt vor die Tür gehen. Sich kleine Ziele am Tag einbauen. Beispielsweise alle 45 Minuten einmal vom Tisch aufstehen, Schultern aktiv nach hinten strecken, um aufrecht zu stehen und den Kopf nach links und rechts neigen.
Pronova BKK: Welche Auswirkungen hat die Seele auf den Körper?
Arne Greskowiak: Im Profisport wie im Eishockey kann das eine nicht ohne das andere. Und auch bei jedem anderen wirkt sich die Angst um soziale Kontakte oder das permanente Vergleichen auf Social Media negativ auf die Psyche aus. Sport hilft der Seele. Durch mehr Sauerstoffzufuhr und eine Anregung des Herz-Kreislauf-Systems fühlt man sich gut. Nach einem ganzen Tag auf dem Sofa hingegen schlapp. Dazu kommt die meditative Wirkung der Bewegung, um den Kopf freizubekommen in der digitalen Welt. Nur einen Schritt vor den anderen setzen.
Pronova BKK: Outdoor-Sport und Online-Training haben in der Pandemie gewonnen, werden diese Trends anhalten?
Arne Greskowiak: Beides wird bestehen bleiben. Viele Städte haben neue Outdoor-Bewegungsparcours gebaut, denn Sport an der frischen Luft ist gut. Gleichzeitig haben sich die Menschen abgewöhnt, an einem bestimmten Ort zu bestimmter Zeit zu sein. Beim Joggen und Radfahren sind sie frei in der Zeiteinteilung, bei Online-Kursen zumindest örtlich flexibel. Digitale Angebote werden weiter boomen. Hingegen ist Fitness zu einem festen Termin in der Sporthalle eher ein Auslaufmodell.
Pronova BKK: Was ist ein gesundes Fitnessprogramm im Alltag?
Arne Greskowiak: Bewegung und Training müssen klar differenziert werden. Alltagsbewegung mit 7.000 Schritten pro Tag sollte kombiniert werden mit einem gezielten Training, das einen überschwelligen Reiz setzt. Es ist nicht damit getan, einmal in der Woche Sport zu treiben, wenn man Fitnessziele erreichen will.
Pronova BKK: Wie können Firmen Mitarbeitern zu einem gesunden Lebensstil verhelfen?
Arne Greskowiak: Beim Betriebssport muss die Hemmschwelle so niedrig wie möglich sein. Der Fokus sollte darauf liegen, einen gesunden Lebensstil zu fördern. Mitarbeiter können beispielsweise Punkte sammeln. Im Bereich Ernährung können sie zwei Hände voll Gemüse essen und genug Wasser trinken. Beim Training die Bewegung zählen, zur Regeneration weniger Zeit vor dem Bildschirm verbringen und ausreichend schlafen. Als vierter Punkt ist auch das Mindset wichtig. Moderne Benennung hilft, keiner will mehr Wirbelsäulengymnastik machen.
Arne Greskowiak ist seit 14 Jahren Personal- und Athletiktrainer in Köln. Er trainiert unter anderem die deutsche Basketballnationalmannschaft, die Eishockeymannschaft Kölner Haie und diverse Privatkunden und Individualathleten aus den unterschiedlichsten Bereichen. Er vertritt die Auffassung: Kein Mensch ist unsportlich.